Donnerstag, 28. Juni 2012

intensive Preparation

"Regular soldiers would also be happy, between the ages of 18 to 23, to occupy themselves with making babies, or at least intensive training in preparation, but what can you do - they're in the army." 
Die Tageszeitung Yediot Aharonot (28. Juni) im Editorial über die Vorschläge zur Neugestaltung des Wehrdienstgesetzes

Mittwoch, 27. Juni 2012

Horizonterweiterung

Mit einer Mischung aus kindlicher Naivität, Begeisterung und Abenteuerlust bestaunt der junge Creole die Sehenswürdigkeiten in und um die Jerusalemer Altstadt. Jeden Stein, könnte man den Eindruck bekommen, würde er am liebsten umdrehen. Seine fast fassungslosen Begeisterungsstürme zaubern uns ein Lächeln ins Gesicht. Für wen diese Denkmäler sind und wann sie gebaut wurden, will er beim Besuch der Absalom-Säule und des Zacharias-Grab wissen; die biblischen Geschichten sagen ihm nichts. Beim Besuch des jüdischen Friedhofs schiebt er dezent eine Kippa auf sein Haupt. Das Grab eines berühmten Rabbiners muss unbedingt aufs Foto gebannt werden, dann fragt er uns, ob auf dem Friedhof auch Christen begraben seien. Über das russische Mariengrab und die Via Dolorosa setzen wir unsren Weg fort bis zur Grabeskirche. Wissbegierig fragt uns der junge Mann Löcher in den Bauch und scheint die Stadt und ihre Facetten nur so in sich aufzusaugen. Und schliesslich, vor der Edicula angekommen: "DAS ist das Grab Jesu? Ich wusste nicht einmal, dass es einen solchen Ort gibt... Woher weisst Du das alles?"

"No way"

"So this is the time to tell you, dear seculars – forget about it. Let us be. Give it up. Forget about it, because there is no chance whatsoever that any kind of yeshiva boy will be heading to the draft office the day Israel’s government announces a haredi draft. It won’t happen, and we can assume that you too, deep in your heart, are aware of this fact (…)After all you too, dear seculars, are aware that the day a decision is taken on the forced draft of haredim, hundreds of thousands of them will hit the streets in demonstrations that will make the social protest look like an elementary school reunion. All our police forces will be preoccupied with dispersing the haredi Torah soldiers and clearing their hats from town squares."
Eliezer Hayon befindet im Meinungsbeitrag "Haredi service? No way", Ynet-News (27. Juni), die Diskussion um die Einberufung ultraorthodoxer Soldaten sei auf dem besten Weg zu einer Explosion

Sonntag, 24. Juni 2012

Donnerstag, 21. Juni 2012

Beten in engen Grenzen

Ein seltenes Bild gab es heute Morgen am Kotel. Eine Gruppe von Frauen, viele von ihnen mit Kippot bedeckt und in Tallit gehüllt, vereinzelt sogar mit angelegten Teffilin, beteten und sangen im Frauenabschnitt zum "Rosch Chodesch", dem Beginn des neuen Monats. Die meisten der rund 50 Versammelten sind Aktivistinnen oder Unterstützerinnen der Bewegung "Women of the Wall", die sich seit fast 25 Jahren für Gleichberechtigung der Geschlechter an der heiligsten jüdischen Stätte einsetzt. Die Szene, aus der Distanz betrachtet, wirkt harmonisch und meditativ. Bis die Sicherheitskräfte kommen und eine der Beterin abführen. 
Die junge Aktivistin wird während einer knappen Stunde verhört, während der Rest der Gruppe sich spontan vor dem Kommissariat versammelt und singend und betend gegen die Ungerechtigkeiten protestiert. Nicht nur, dass mindestens zwei Drittel der Westmauer den Männern vorbehalten sind, auch die vorherrschende Auslegung des jüdischen Religionsgesetzes ist eher von der konservativen Sorte: Tragen von Gebetschal oder –riemen oder gar Vortragen der Torah sind für Frauen tabu: Beten ja, aber in engen Grenzen!

Mittwoch, 13. Juni 2012

Erfahrungswert

"Hast Du nichts, um den Hals zu bedecken?" Die prompte Frage meines "Kuhhändlers" noch an der Wohnungstür verunsichert mich gleich noch mehr - ohnehin fühle ich mich ob der Abendaufgabe "ultraorthodoxe Hochzeitsfotografin" dezent gestresst. Hilfloses Schulterzucken meinerseits, der ich mir allergrösste Mühe gegeben zu haben gedacht hatte, um meinem Kleiderschrank ein Religiösen-taugliches Outfit zu entlocken. Schon der Anmarschweg zur Wohnung des Freundes im bodenlangen dunklen Rock mit zwei Lagen langarmigen T-Shirts, Socken und geschlossenen Schuhen - und das am späten Nachmittag bei Temperaturen von immerhin noch knapp 30 Grad - gibt einen intensiven Einblick in den Lebensalltag bestimmter Gesellschaftsschichten (sollte frau sich vor diesem Hintergrund gar glücklich schätzen, dass das allzu häufige Verlassen der eigenen vier Wände in ebendiesen Schichten zumindest für Frauen nicht so sehr auf dem Programm steht?). Als noch unpraktischer werden sich Rock und Kopftuch später auf dem Motorrad erweisen. Meine Stressanzeichen wiederum sorgen bei meinem Abendbegleiter (wobei dieser Ausdruck angesichts der strikten Geschlechtertrennung im Raum nur bedingte Gültigkeit beanspruchen darf) für glucksendes Vergnügen. Er hat gut reden, es ist für ihn nicht die erste Veranstaltung dieser Art, und im leuchtend-türkisen Poloshirt als "Papagei unter Pinguinen" aufzufallen, stört ihn nicht im Mindesten.

Die Feier ist, anders als ich dachte, nicht in Mea Shearim, sondern in einer Art Hochzeits-Industriegebiet in Givat Sha'ul, bei der ein Feiersaal an den nächsten zu grenzen scheint und schon bei unsrer Ankunft ein halbes Dutzend Hochzeiten im Gange sind. Wir finden "unsere" Hochzeit relativ schnell, sind aber offenbar deutlich zu früh - sicherheitshalber hat man uns offenbar früher bestellt als den Rest - oder sind einfach alle anderen zu spät? Nach und nach trudeln Gäste und auch Musiker ein (letzteres eher zum Bedauern unsrer Trommelfelle) und verteilen sich entsprechend des Geschlechts auf einen der beiden durch eine Holzbarriere voneinander abgegrenzten Raumteile. Mit ein paar letzten Ratschlägen vom Profi (niemals unter 1600 ISO - vor allem auf die Gruppen kommt es an - lass sie sich selber gruppieren ...) werde ich auf die Frauenseite entlassen, wo inzwischen auch die Braut eingetroffen ist, eingehüllt in einen (für meine Begriffe recht Sahnebaisergleichen) voluminösen "Traum in Weiss". Meine anfängliche Skepsis und der Stress legen sich ziemlich bald, die Damen haben sichtlich Freude am Posieren fürs Bild und die Bräutigamsmutter gibt mir jenseits aller Sprachbarrieren zu verstehen, dass sie sich über mein Dasein freut.


Der Ablauf der ganzen Feier ist ziemlich ungewohnt - wer kommt, nimmt Platz und beginnt zu Essen, eine offizielle Begrüssung, Reden oder Ansprachen gibt es nicht. Nach einer ganzen Weile ziehen sich Braut und Brautmutter zum Gebet aufs Sofa zurück, bis schliesslich in langer Prozession der Bräutigam mit beiden Vätern und andren wichtigen Männern vor die Frauenriege zieht. Der Braut, bis dahin unverschleiert, wird ein erster, transparenter Schleier über das Gesicht gelegt, gefolgt von einem vollkommen undurchsichtigen, weissen Tuch, das Kopf und Schulter bedecken. 
Unter dem (aus temporären Blindheitsgründen wohl auch unabdingbaren) Geleit von Mutter und Schwiegermutter geht es für die junge Dame nach draussen unter den Chuppa genannten Traubaldachin zum eigentlich Akt der Eheschliessung und der Übergabe des Ehevertrags. Siebenmal umkreist die Braut den Bräutigam. Segen und Lobpreisungen werden über den Wein gesprochen, von dem das junge Paar trinkt (das Glas wird, berührungssicher in ein Stück Stoff gewickelt, von der Männer- zur Frauenseite gereicht; um das Trinken zu ermöglichen, darf die Braut kurzfristig ihre Schleier ein kleines Stückchen lüften). Schliesslich das Zerbrechen eines Glases in Erinnerung an den zerstörten Tempel, weitere Segensgebete und das Paar wird wieder nach oben begleitet (wo es für eine knappe halbe Stunde sich selbst und den Gesprächen über die gemeinsame Zukunft überlassen wird). 
Was folgt, als Braut und Bräutigam wieder auf der jeweils für ihr Geschlecht reservierten Saalhälfte eintreffen, sind wilde Tänze, auf Männerseite wohl noch etwas exzessiver, als bei den Damen. Braut respektive Bräutigam werden auf den Schultern bzw. auf Stühlen und Tischen in die Luft gehoben und herumgetragen, bis erste Ermüdungserscheinungen einsetzen. Die Kinder sind nicht so schnell klein zu kriegen und knoten alle Stoffservietten zu einer langen Kette, die als Ersatzleine fürs Seilchenspringen dienen muss - dem sich auch die Braut trotz weitem Kleidaufbau nicht entziehen kann.


Stunden später und gemeinsam geschätzt 1.500 Bilder "reicher" haben wir uns das Glas Wein in einem netten Gartencafé auf dem Heimweg redlich verdient. Ein letztes Mal lege ich auf dem Trottoir einen halben Striptease hin, um die fürs Motorrad angelegte Trainingshose unter dem Rock auszuziehen. Das Abziehen des Kopftuchs auf der Restauranttoilette und die Möglichkeit, endlich wie Arme meiner T-Shirts nach oben schieben zu dürfen, empfinde ich als wahre Befreiung. Und die folgende traumreiche Nacht entpuppt sich als definitiv zu kurz zum Verarbeiten aller Eindrücke!

Montag, 11. Juni 2012

Lauter gute Ratschläge

"Eine orthodoxe Hochzeit? Denk dran, Dich entsprechend anzuziehen!" "Denk dran, lange Ärmel und alles schön bedeckt!" "Eine Hochzeit in Mea Schearim? Pass bloss auf, was Du anziehst!" "Vergiss das Kopftuch nicht.." - Die Liste der gut(gemeint)en Empfehlungen aus meinem Freundeskreis ist lang und doch überschaubar: Wenn Du schon so verrückt bist auf eine ultraorthodoxe Hochzeit zu spazieren, so der Tenor, dann zieh Dich wenigstens vernünftig an. "Vergiss nicht", lautet noch die letzte Mailanweisung, bevor ich das Haus verlasse, "Beine, Arme und den ganzen Rest bedecken!"

"Israelis, learn Arabic"

"Our children are only exposed to Middle Eastern food but do not understand Islam and Christianity, the Arab revolutions, Arab culture and its values. They are exposed to the Arab world only via the news about terrorism and attacks. Our children see Arab laborers, cashiers and building contractors every day but are not familiar with their world. This unfamiliarity prevents empathy and the ability to understand the Arab minority’s distress in Israel while perpetuating Israeli society’s indifference towards its surroundings. This state of affairs is even graver among youths, who are indifferent to reality as it is as result of being immersed in a virtual world of iPads, iPhones, YouTube and so on. The ability of our youths to come out of the bubble depends on an Israeli government decision to connect the Jewish people to the Middle East via the Arabic language."
Yaron Friedman in seinem Beitrag "Israelis, learn Arabic" (Ynet-News, 10. Juni)

Freitag, 8. Juni 2012

Dringendes Feedback

"But the Israeli people's eyes are blind, their ears are deaf and their leaders are flaccid and weak. This is precisely the situation in which civilised societies urgently need feedback and intervention from the outside: to mirror the absurdity of the situation created and to focus attention on the damage of human and political blindness. To tell Israel that it is impossible to be treated as 'the only democracy in the Middle East', while it is also the last colonial occupier in the Western world."
Der israelische Autor und ehemalige Politiker Avraham Burg in einem Beitrag "Settlements goods are not kosher" (The Independant, 7. Juni)zum israelischen Protest gegen die Erwägung diverser Länder, Herkunftsbezeichnungen für in israelischen Westbank-Siedlungen hergestellte Produkte einzuführen

Dienstag, 5. Juni 2012

Kuhhandel

Oder wie ich zur offiziellen Fotografin (des weiblichen Teils) einer ultra-orthodoxen Hochzeit in Mea Schearim werden soll.
A: "kennst Du nicht eine Kollegin, die die Braut und die Frauenseite fotografieren könnte, während du auf der Männerseite arbeitest?"
B: "Ich wüsste da jemanden. Allerdings ist sie nicht Jüdin!"
A: "Hm, Ich weiss nicht. Sie müsste sich aber bedeckt kleiden..."
B: "Das ist kein Problem."
A: "...und die Haare verdecken..."
B: "Da bin ich nicht so sicher..."
A: "Ist sie denn verheiratet?"
B: "Nein"
A: "Aber zusammenbinden sollte sie die Haare schon!"
B: "Okay, kein Problem!"
A: "Ich weiss nicht. Was würde das denn kosten?"
B: "Wenn ich sie frage, macht sie das vielleicht umsonst..."
A: "Ja dann ...!"
... wie gut, dass Frauen in diesem Milieu im Allgemeinen und auch bei der Hochzeit eher eine untergeordnete Rolle spielen, das mildert die Erwartungshaltung ...

Sonntag, 3. Juni 2012

Taktvoll

"Hört mal gut zu, Jungs!" Am Durchgang zum Platz vor der Grabeskirche schnappt sich der junge Vater seine beide Söhne, schätzungsweise beide im Kindergartenalter, je einen an jede Hand. "Das da", er nickt in Richtung der Kirchentür, "ist ein besonderer Ort, er ist manchen Menschen so heilig wie uns der Kotel." Da drinnen, erklärt er seinen beiden Knirpsen eindringlich, gibt es "kein Gerenne" und außerdem herrsche für die Zwei ab jetzt Stille. Die beiden Kleinen nicken mit großen Augen, ungeduldig und halb schon auf dem Sprung. Eine letzte Ermahnung des Vaters zu gebührendem Respekt vor dem christlichen Heiligtum und Gehorsam zu elterlichen Anweisungen und die Jungs rennen los in Richtung Kirchentür. Ein kleines B-Moll im vorbildlichen Verhalten des Vaters: seinen leeren Orangensaftbecher schiebt er in Ermangelung eines Abfallkübels in Sichtweite einfach in eine Mauerecke auf dem Vorplatz. Weiter als bis zur Pforte reicht der Respekt vor dem fremden Heiligtum dann leider doch noch nicht...