Sonntag, 3. Januar 2010

Eine kurze Ewigkeit


Fünf Wochen Israel. Gefühlt eine halbe Ewigkeit, die in einem Augenblick vergangen ist. Zwiespältig der Rückblick. Hat man sich erstmal an die starke Militär- und Polizeipräsenz, an die manchmal langwierigen Sicherheitskontrollen beim Betreten von Gebäuden gewöhnt, begegnet einem Westjerusalem als eine westliche, moderne und offene Stadt. Die Lage ist ruhig. In den Gassen der Altstadtviertel wird orientalisches Flair spürbar, und dem Betrachter bietet sich ein friedliches Durcheinander von Kirchtürmen, Synagogen und Moscheen. Das religiöse Wirrwarr und manch intensiver Ausdruck von Spiritualität wirken, je nach Standpunkt, befremdlich oder erheiternd. Soweit die touristische Perspektive.
Das Gefälle zwischen beiden im Heiligen Land lebenden Nationen wird, wenn nicht schon im Osten der Stadt, so spätestens in palästinensischen Gebieten sichtbar. Das Überqueren eines Checkpoints macht die Spannungen allzu deutlich, die hier zum Alltag gehören. Auf der einen Seite eine Mischung aus Misstrauen und lähmender Angst, dem Wunsch die Lage zu kontrollieren und einem allgegenwärtigen Anspruch auf das Land. Auf der anderen Seite Frust und Wut über die Besatzung, Hoffnungslosigkeit angesichts der aussichtslosen Lage im "Freilichtgefängnis". Soweit der Eindruck, wenn man entgegen aller "Warnungen" mit offenen Augen durch alle Teile des Landes reist.
Wenn es schon für "Kurzaufenthalter" schwierig ist, trotz allem die kleinen Zeichen der Hoffnung zu sehen: Um wie viel anstrengender muss es sein, als Teil dieses Landes mit all seinen Konflikten die Hoffnung auf Frieden zu bewahren?
Jerusalem muss sich ihren Titel als "dreifach heilige Stadt" jedenfalls erst noch verdienen.

Samstag, 2. Januar 2010

Keine Mauern

"Vielleicht müssen auch wir da und dort etwas zumauern, damit die Masslosigkeit dieser Welt nicht in unsere Seele eindringt und den Glauben zum Erliegen bringt; damit jenes Hineilen der Hirten zum wahren Gut, zu Christus, nicht behindert oder gar verunmöglicht wird", predigte der Churer Bischof Vitus Huonder für das neue Jahr.
Wer die Bilder der Mauer in der Westbank oder Gaza vor Augen hat, wer die Schwierigkeiten der dortigen Menschen gesehen hat, die vielleicht gar nichts anderes im Sinn haben, als einmal friedlich Weihnachten zu feiern, der wünschte sich, der Bischof würde seine Worte von Mauern besser abwägen.

Gaza, Gaza und noch mal Gaza

In Nahost können Träume nur schlecht enden, schreibt Haaretz-Journalist Bradley Burston in seinem Rückblick auf die ersten zehn Jahre des 21. Jahrhunderts. Die letzte Dekade sei eine, in der die Nahostträume gestorben seien. Die Dekade, so Burston, wurde geprägt vom fundamentalistischen palästinensischen Glauben an Erlösung durch Selbstmord und durch den fundamentalistischen israelischen Glauben an Erlösung durch Brutalität. Die Dekade ende wie sie begonnen habe: "ahnungslos, hoffnungslos, erschöpft. Das Durchlebte liess jeden Einzelnen von uns soviel mehr als zehn Jahre altern, ohne das wir weiser wurden."
Die zehn grössten Fehler Israels der vergangenen zehn Jahre: Gaza, Gaza und noch mal Gaza. Vor zehn Jahren, schreibt Burston, hätten die Palästinenser vielleicht einen eigenen Staat haben können – jetzt können sie kaum mehr atmen. Für beide Völker seien die Lektionen dieser Dekade unerträglich: "Kein Gross-Israel, keinen Frieden jetzt, kein gesamtpalästinensisches Palästina, keine Zwei-Staaten-Lösung. Möglicherweise ist es das, was der Messias in Wirklichkeit wollte: eine Situation, in der jeder einzelne Einwohner des Landes im gleichen Umfang unglücklich ist."

Freitag, 1. Januar 2010

Ihr seid ja nicht daran Schuld, sagt die Palästinenserin Amal zum Minarettverbot in der Schweiz, das dieser Tage als Karikatur in einer palästinensischen Zeitung aufgegriffen wurde. Wir sind Gast in ihrem Haus, und sie bewirtet uns wie selbstverständlich mit Kaffee. Extra für uns hat ihr Mann Knafa, das berühmte Gebäck der Region Nablus, gekauft. Das sind doch die Politiker und nicht ihr, die das zu verantworten haben, sagen sie. Ein schwacher Trost.