Donnerstag, 31. Dezember 2009

Mittwoch, 30. Dezember 2009

Demonstrativ

Demonstration! Das ist der erste Gedanke beim Anblick der Verkündigungskirche in Nazareth, die wie ein Leuchtturm den Platz dominiert.

Die kleine Moschee mit der grünen Kuppel am Fuss links von der Basilika nimmt man erst beim dritten oder vierten Blick wahr. Von weitem jedoch drängen sich die nicht weniger demonstrativen Plakate der dort beheimateten muslimischen Gemeinde dem Betrachter auf.

Dienstag, 29. Dezember 2009

Montag, 28. Dezember 2009

Gegen die Wand

Schier endlos sind die Debatten mit meiner Vermieterin, wenn es um die Konflikte in dieser Region geht. Ich versuche, ihren Standpunkt zu verstehen und ihr gleichzeitig zu zeigen, dass es eben auch die Sicht der anderen Seite gibt, aber ich habe das Gefühl, gegen eine Wand zu laufen. Die allgegenwärtige Angst und das Misstrauen gegen den ungeliebten Nachbarn sind so ermüdend! Israel ist im Krieg sagt sie, und für jedes Beispiel palästinensischen Leidens und israelischer Ungerechtigkeit gegenüber der arabischen Bevölkerung hat sie zehn neue Beispiele, warum Israel sich wehren muss gegen diese Fundamentalisten. Die Medien weltweit haben sich gegen Israel verschworen, seit Tausenden von Jahren setzt sich der Kampf gegen das Jüdische fort: In der Inquisition wurden die Juden abgeschlachtet, in der Shoah in die Gaskammern geführt, und heute sieht die ganze Welt nur das Leiden der armen Palästinenser. Kein Staat bekomme prozentual soviel Hilfe aus dem Ausland, wie die Palästinenser, die im Geld schwimmen.
Klar sind die Araber Bürger dritter Klasse in diesem Land, sagt sie, aber sie wollen es ja nicht anders. Der israelische Staat tue viel für die Palästinenser und versuche alles, um zum Frieden zu kommen, aber die Palästinenser sägen den Ast ab, auf dem sie sitzen. Es gibt eben Opfer im Krieg, aber keine Armee ist so feinfühlig wie die israelische ... Meine Gegenbeispiele zählen nicht. Niemals würde sie einen Fuss nach Ostjerusalem setzen, um sich selbst ein Bild zu machen, sie wolle ihr Leben ja nicht aufs Spiel setzen. Sie kennt nur Palästinenser, die glücklich sind, dass die Zeit der türkischen und jordanischen Unterdrückung ein Ende hat und sie im Staat Israel leben dürfen. Die Diskussion ist hoffnungslos, ich gebe auf. Wie weit ist dieses Land von einer friedlichen Lösung entfernt, wenn das Wort des Anderen grundsätzlich nichts gilt.

Samstag, 26. Dezember 2009

Unberechenbar

Was als touristischer Ausflug mit gemütlichem Shopping in Nablus gedacht war, endet in einer Massendemonstration: 20.000 Männer marschieren in einem Beerdigungszug durch die Altstadt von Nablus. Am frühen Morgen hat die israelische Armee in und um Nablus drei Männer getötet, die sie des Terrorismus verdächtigten. Das Leben in Nablus liegt an diesem Tag lahm, die allermeisten Geschäfte bleiben geschlossen. Mangels Information können wir die Lage nicht abschätzen und fühlen uns einigermassen unwohl. Rückzug auf "sicheres" Terrain nach Ramallah.
Am Abend zurück in Jerusalem erfahren wir, dass auch am Checkpoint zum Gaza-Streifen drei Palästinenser von israelischen Militärs getötet worden sind. Ausserdem soll die israelische Armee am Abend auf palästinensische Demonstranten am Checkpoint Calandia geschossen haben - dem Checkpoint, den wir ungefähr zur selben Zeit Richtung Jerusalem durchqueren ... Auch wenn wir uns persönlich nicht gefährdet oder bedroht gefühlt haben, zeigt der Tag, wie unberechenbar die Lage trotz scheinbarer Ruhe ist. Die Warnungen von Palästinenserchef Abbas vor einer dritten Intifada kommen in den Sinn. Ein fragiles Gefüge, in dem ein Funken reicht!

Donnerstag, 24. Dezember 2009

Nichts für schwache Nerven!


Weihnachten in Bethlehem ist nichts für schwache Nerven. Nachdem der Konvoi des Patriarchen den Checkpoint passiert hat, geht es im Schritt-Tempo weiter in Richtung Bethlehem. Ich habe Glück und kann auf ein fahrendes Kameraauto aufspringen und so mitten im Konvoi mitfahren. Bei seinem ersten Stopp wird der Patriarch umringt von Journalisten, Fotografen und Gläubigen, es ist ein einziges Schieben und Stossen. Nach nur ein paar Minuten geht es weiter.

Je näher wir der Altstadt kommen, desto mehr Schaulustige säumen den Weg. Dazwischen ein paar Junge, die Palästinenserfahnen schwenken und mit Plakaten und Transparenten auf die palästinensische Sache aufmerksam machen. Einer hält ein selbstgebasteltes Kreuz, das in einem alten Raketenkopf steckt, die Finger zum Victory-Zeichen erhoben. Kurz vor dem Aufstieg zur Altstadt muss ich meinen komfortablen Platz räumen und mich zu Fuss durch die Menge schlagen, dank Presseausweis aber innerhalb der Absperrungen.



Auf dem Krippenplatz wird es dann richtig eng, neben Messdienern, Ordensleuten, Polizei und Sicherheitskräften drängen sich Pfadfinder und Folkloretruppen durch die Absperrung. Mit Menschenketten riegeln Polizei und Pfadfinder den Patriarchen ab, damit dieser durch die Menge kommt. In einer Prozession drängen sich alle zur Geburtsbasilika, deren Eingang ein wahres Nadelöhr ist.


Derweil dröhnt draussen auf dem Platz die Party-Version von Jingle Bells in einer Lautstärke, die die Schmerzgrenze übersteigt ... Überhaupt habe ich eher das Gefühl, auf einem riesigen Volksfest zu sein. Die Kinder sind als Weihnachtsmänner und -frauen verkleidet, viele haben bunte Luftballons in den Händen, überall läuft laute Musik und alle jubeln dem Patriarchen zu. Erst als dieser in der Katharinenkirche verschwindet, um dort eine Vesper zu beten, wird es auch auf dem Platz etwas luftiger, gottseidank.


Warten auf den Patriarchen

Irgendetwas ist anders am Checkpoint nach Bethlehem. Autoschlangen warten auf Durchfahrt und dreimal soviele Busse wie üblich stehen auf israelischer Seite. Auf palästinensischer Seite wartet nicht wie üblich das Dutzend Taxis und Postkartenverkäufern auf die Handvoll Touristen, die zu Fuss über den Checkpoint kommen. Die Strasse hinter der Sicherheitskontrolle ist seit gestern gesperrt, erklären mir ein paar Freiwillige vom Weltkirchenrat. Eine Handvoll Taxifahrer wartet zu Fuss auf potentielle Fahrgäste, Journalisten und Kameraleute bringen sich in Pose für die Ankunft des Patriarchen. Israelisches Militär auf beiden Seiten. Ein Kehrwagen verleiht der Strasse den letzten Schliff.

Ein Palästinenser-Konvoi rauscht auf das Tor zu, das aufgleitet und einen kurzen Blick auf die israelische Seite freigibt, bevor es sich hinter dem letzten Wagen wieder schliesst. Seit zwei Tagen ist die Lage am Checkpoint bei Rachels Grab entspannter als üblich, erzählt mir Andreas, der als Freiwilliger für den Weltkirchenrat täglich am Checkpoint Präsenz zeigt. Mehr Schalter sind geöffnet und die Wartezeiten für die Palästinenser, die morgens Richtung Jerusalem gehen, ist deutlich kürzer als an normalen Tagen. Für den Patriarchen (und die zahlreichen Weihnachtspilger) zeigt der Checkpoint ein freundlicheres Gesicht ...
Doch die Lage ist angespannt und droht zu eskalieren, als uns ein paar Touristen uns nach dem Weg fragen. Die Taxifahrer reagieren laut und heftig und wollen uns fortschicken. Alle kommen für den Patriarchen, aber wir dürfen hier nicht Taxifahren, sagen sie und geben uns die Schuld, dass die Touristen laufen und sie auf das ohnehin geringe Geschäft verzichten müssen. Die Stimmung kocht hoch, und ich bin mehr als froh, als einer der Sicherheitsleute einschreitet.

Mittwoch, 23. Dezember 2009

Minderheiten-Fest

Stell dir vor, es ist Weihnachten, und keiner geht hin... Vermutlich gibt es keinen anderen für das Christentum derart bedeutsamen Ort, an dem Weihnachten so wenig präsent ist. Die Christen sind in Jerusalem deutlich in der Minderheit, zumal die Katholiken. Wenn man nicht gerade durch die christlich bewohnten Altstadtviertel schlendert, wird man von dem bevorstehenden Fest nicht viel merken. Schon der Versuch, geeignete Kerzen für den Adventskranz zu finden, entpuppt sich als schwieriges Unterfangen. Der "Weihnachtsmann", der heute am Jaffa-Tor gratis Weihnachstbäume für die ausländischen Presseleute verteilt, ist ein Kuriosum und von begeisterten Stadtbesuchern fotografiert. Der schöne Nebeneffekt: Die weihnachtliche Kommerzialisierung, Werbung für das ultimative Weihnachtsgeschenk, funkelnde Rentierschlitten im Vorgarten oder schrill dudelnde Weihnachtslieder im Kaufhaus gibt es auch nicht!

Dienstag, 22. Dezember 2009

Der falsche Fuss

"Wir sind mit dem falschen Fuss ins Jahr 2009 gestartet", heisst es in einem Jahresrückblick auf einem israelischen Nachrichten-Portal. Aber insgesamt sei es ein gutes Jahr für Israel gewesen, denn die Sicherheitslage habe sich "unermesslich" verbessert.
Die gegenwärtige Ruhe in der Westbank könnte mit seiner Amtsaufgabe im Juni 2010 enden, warnt Mahmud Abbas, sollte es bis dahin nicht zu einem Abkommen zwischen Israelis und Palästinensern kommen.
Die Welt hat die Gaza-Zivilisten verraten, lautet die dritte Stimme, diesmal von Menschenrechtsorganisationen. Israel bestraft die Bevölkerung des Gaza-Streifens kollektiv für die Taten einiger Weniger, und die ganze Welt schaut zu, lautet ihr Vorwurf.

Montag, 21. Dezember 2009

An der Klagemauer

Gaza


"Ich hoffe, wir kommen schnell wieder raus aus dem 'Gefängnis' Gaza", sagt einer der mitfahrenden Priester auf der Hinfahrt. Bethlehem sei zwar auch ein Gefängnis, aber die Stimmung sei anders. Im Konvoi des Patriarchen fahren wir durch künstlich begrünte Landschaft, vorbei an israelischen Retortenstädten, zum Checkpoint nach Gaza. Ein modernes Gebäude, das an ein Flughafenterminal erinnert, nur eben tausendfach abgesichert. 12 Schalter à 2 Passkontrollpunkten scheinen auf einen grossen Menschenandrang zu warten - in den 20 Minuten, in der wir auf unsere Passkontrolle warten, kommen ältere drei Frauen und ein kleines Kind "von der anderen Seite". Noch bevor wir das Gebäude betreten, verteilen uns Aktivisten Handzettel, auf der sie die Freilassung von Gilad Shalit fordern.



Der Empfang auf der israelischen Seite ist überaus freundlich: Wir werden zum VIP-Schalter gebeten, der Manager persönlich begrüsst uns, jemand bringt Saft und ein paar Plastikbecher. Ein Teil der Gruppe darf in den Diplomatenwagen über den Checkpoint, der grössere Rest muss zu Fuss passieren. Durch diverse Sicherheitstüren und Drehtüren durchqueren wir das Gebäude, um uns kurz vor der Mauer zum Gazastreifen zwischen hohen Toren und Zäunen vor dem - geschlossenen - Ausgang 6 wiederzufinden. Heftiges Winken vor den omnipräsenten Überwachungskameras, Klopfen und ein Telefonanruf lassen die Tür schliesslich aufgleiten. Sie mündet in einem endlos langen Drahttunnel auf palästinensischem Gebiet.

Obwohl wir aus der israelischen "Freiheit" ins "Freiluftgefängnis Gaza" eingetreten sind, werde ich nach all der hochtechnisierten Sicherheitsschikanen den Eindruck nicht los, mich erst auf dieser Seite wirklich frei bewegen zu können. Kontrollen der Palästinensischen Autonomiebehörde am Ende des Käfigs sind praktisch nicht existent. Dafür fällt der Blick auf eine grosse freie Fläche. Links ehemals ein Orangenhain, den das israelische Militär noch vor dem Krieg im letzten Jahr plattgewalzt hat, rechts vereinzelte Ruinen der letzten Attacken.

Aus dem Checkpoint raus, empfängt uns der Pfarrer von Gaza mit einer kleinen Delegation. Schliesslich werden wir in zwei Ambulanzwagen verfrachtet und mit Polizeibegleitung und unter Sirenengeheul geht es weiter, zunächst durch den dritten Kontrollposten, diesmal der Hamas, dann weiter nach Gaza-Stadt. An den Häusern rechts und links der Strasse Einschusslöcher, auf dem Mittelstreifen Plakate mit Hamas-Köpfen und bewaffneten Kämpfern.

Der Empfang in der Pfarrei ist herzlich. Der kleine Innenhof und später die Kirche sind voll, die Pfadfinder trommeln zur Begrüssung - in Zivil, denn es ist kein Geld da, um Pfadfinderuniformen zu kaufen. Gastfreundschaft wird trotzdem gross geschrieben. Die Palästinenserflagge weht gleichberechtigt neben der des Vatikans, von beiden Seiten des Hofs winkt Jassir Arafat. Trotz der festlichen Stimmung ist die Freude der Menschen gedämpft, selbst die Kinder wirken traurig oder beunruhigt. In dieser Umgebung bekommt der Friedensgruss in der Messe eine ganz neue Bedeutung!



Das Programm des Besuchs ist gedrängt, der Checkpoint schliesst für Fussgänger bereits um 15 Uhr. Die Einreise nach Israel ist im Vergleich zur Einreise nach Gaza ungleich langwieriger. Diesmal kontrollieren auch die Palästinenser, bevor wir wieder in den "Käfig" dürfen. Die Stimmung irgendetwas ist zwischen erleichtert-ausgelassen und frustriert-zynisch. Die mitgereisten Priester stimmen mehrstimmig italienische Weihnachtslieder an, "venite adoremus", als wir auf den Sperrwall zumarschieren. Irgendwo weiter an der Mauer fällt eine Reihe von Schüssen, ein Pater singt ein Requiem.

Die Sicherheitstüren und Drehkreuze nehmen kein Ende, aber schliesslich kommen wir an den ersten "bemannten" Sicherheitscheck. Alle Taschen abgeben, alle metalischen oder elektronischen Geräte auspacken, Gürtel abziehen ... Weiter geht es einzeln oder paarweise durch zwei Sicherheitstüren, bevor man einzeln eine gläserne Kabine betritt. Auf dem Boden zwei gelbe Fussabdrücke, auf die man sich zu stellen hat, die Arme hoch erhoben. Metalldetektoren umkreisen die Kabine, hat man brav stillgehalten und auch sonst keine Auffälligkeiten gezeigt, darf man in eine weitere Kabine. Der Kontrollposten sitzt in etlichen Metern Höhe in einer Glaskabine und überwacht alles. Noch zwei weitere Türen trennen uns von der letzten Passkontrolle. Eine Mitreisende wirkt verdächtig und darf sich einer zusätzlichen Körperkontrolle in einer weiteren Kabine unterziehen, bevor wir schliesslich alle auf der anderen Seite der Mauer wieder "in Freiheit" sind.

Sonntag, 20. Dezember 2009

Fragiles Gefüge

Die Grabeskirche ist kein sich leicht erschliessender Ort. Erst beim dritten längeren Besuch entdecke ich so etwas wie Schönheit, die unter dem basarähnlichen Rummel vor und in der Kirche zum Vorschein kommt. Nicht nur die sehr unterschiedlichen Pilger- und Touristengruppen mit ihren teils sehr ausgeprägten Frömmigkeitspraktiken, auch die zahlreichen Hausherren irritieren. Etwa der griechisch-orthodoxe Bischof, dessen Ehrengarde ihm beim Einzug durchaus auch handgreiflich einen Weg bahnt. Das fragile Gefüge eines seit über hundert Jahren unveränderten Status Quo - wer darf wann wo und wie lange beten - wird sichtbar, wenn die unterschiedlichen Konfessionen sich minutiös an die vorgegeben Ordnung halten. Die Prozession der Katholiken führt zum Golgotha, der Einzug der Kopten in den gegenüberliegenden Teil der Kirche. Für einen kurzen Moment scheint es für den Betrachter, als sängen beide Gruppen kräftig gegeneinander an. Auf der anderen Seite: In welcher Kirche sonst ist es überhaupt möglich, dass ein so bunter Haufen mehr oder weniger friedlich wenn nicht mit-, dann wenigstens nebeneinander auskommt?

Freitag, 18. Dezember 2009

"eingeklemmt, abgeschnitten, abgewürgt"

"Der Siedler, das sind in Wahrheit wir, alle Israelis. Das Baumoratorium ändert nichts an der Tatsache: Es gibt einen Elitestaat für Juden und eine Kellerecke für Palästinenser - eingeklemmt, abgeschnitten, abgewürgt. Die Unterscheidung zwischen dem Staat Israel und den Siedlern ist künstlich, ebenso wie die zwischen Guten und Bösen, zwischen Gewalttätigen und Gesetzestreuen, Bewohnern eines Aussenpostens und jenen anderer Siedlungen sowie zwischen Territorien, die nach Jerusalem eingemeindet wurden und denen, die jenseits der Mauer liegen."
"Israelischen Siedlerlügen": Gastkommentar der israelischen Journalisten Amira Hass in der Berliner Zeitung. Hass wurde kürzlich von "Reporter ohne Grenzen" als "Journalistin des Jahres" ausgezeichnet.

Donnerstag, 17. Dezember 2009

Stürmische Zeiten

Seit 2 Tagen bläst der Chamsin seinen feinen Wüstenstaub in die Stadt und bringt ein merkwürdiges Wetter mit sich. Es ist recht warm, dafür ist der Wind umso stürmischer. Über alles legt sich der feine Sandstaub, der zwischen den Zähnen knirscht, sobald man sich auf die Strasse wagt. Vor allem das Licht ist eigenartig. Vom Staub ist die Luft fast gelb gefärbt, und die Stadt leuchtet noch heller, als sonst.
Unterdessen laufen die Weihnachtsvorbereitungen so langsam an. Heute hat das Tourismusministerium die Christen-Führer zum Empfang ins Grand Hotel geladen. Der offizielle Vertreter muss mir mein Unwohlsein zwischen lauter mir unbekannten Popen verschiedenster Denominationen wohl angesehen haben: "Feel comfortable and - like my mother always said: eat something!"

Kein Platz für heisse Eisen

Kein Platz für heisse Eisen wie Israelkritik: zu politisch, sagte die SBB und hängte das Plakat der Aktion Palästina-Solidarität ab. Zensur oder Hausrecht? Das wird das Budesverwaltungsgericht klären. Immerhin: Das Urteil wird bereits in sechs Monaten erwartet. In Palästina gibt es Familien, die seit fast zwanzig Jahren gerichtlich um ihren Familienbesitz kämpfen ...

Mittwoch, 16. Dezember 2009

Orientalisch durch und durch

So bunt das Völkergemisch in Jerusalem auch sein mag: Beim Verkehr offenbart die Stadt ihre orientalische Seele. Einspurige Strassen werden da schon mal vier- oder fünfspurig befahren. Gehalten wird, wenn die Ampel auf Rot springt, grundsätzlich auf dem Zebrastreifen oder auf der Kreuzung, und jeder freie Zentimeter wird mit Blech ausgefüllt. Obwohl prophylaktisch die Dauerhupe betätigt und wie wild gestikuliert wird, nimmt man's erstaunlich gelassen, wenn sich ein Auto vor das eigene Gefährt in die Kolonne quetscht. Wer in Jerusalem mit Taxi oder Bus unterwegs ist, braucht viel Geduld und starke Nerven. Ein Erlebnis, aber zu Fuss ist man in der Regel schneller!

was lange währt ...

Here we go. Oder, um Jamal zu zitieren: Es braucht lange, bis man in einem offiziellen israelischen Computer drin ist ...

Dienstag, 15. Dezember 2009

"Meint Ihr das Ernst?"

"Meint Ihr das Ernst mit dem Minarettverbot?" Zum ersten Mal, seit ich hier bin, spricht mich ein muslimischer Palästinenser auf diese Frage an. Als Journalistin aus der Schweiz müsste ich doch sehen, dass hier im Heiligen Land Kirchtürme neben Minaretten Platz haben. Nein, das Minarett brauche man nicht zum Beten. Aber das Minarettverbot verletzt.

Montag, 14. Dezember 2009

Harte Fakten?

Filmvorführung und anschliessende Diskussion im Auguste Victoria Hospital auf dem Mount Scopus: Wie hart sind Fakten, wenn nur eine Seite berücksichtigt wird? Und was ist die journalistische Pflicht bei einem Dokumentarfilm? Eine spannende Diskussion zwischen dem Arzt, Journalist und Autor Gil Yaron und der Filmemacherin Ina Fuchs. In "Facts on the Ground" dokumentiert Fuchs die Auswirkungen der israelischen Besatzungspolitik für den Alltag der palästinensischen Bevölkerung auf der Grundlage des Kartenmaterials des "Office for the Coordination of Humanitarian Affairs" (Ocha). Israelische Stimmen kommen nicht zu Wort.
Es ist nur ein Film, und er will nur eine Momentaufnahme zeigen, sagt Ina Fuchs. Das Thema ist wichtig, der Film zeigt viel Wahres, aber er zeigt eben nur eine Seite. Fragen werden keine gestellt, sagt Gil Yaron. Damit wird das Dilemma im Nahostkonflikt deutlich: So gut wie nie werden beide Seiten berücksichtigt. Man ist Partei für die eine oder andere Seite. Verständigung ist so schwer möglich.

Standpunkte

Während meine Interviewpartner der Frage nach dem Miteinander von Muslimen und Christen im Heiligen Land ausweichen, ist die Meinung an der christlichen Basis klar und deutlich. Es war mutig von der Schweiz, ein klares Zeichen gegen den Islam zu setzen, fasst Eli die Stimmung in seiner Gemeinde zusammen. Die vorherrschende Stimmung hier: Mit dem Islam kann man solange gut zusammenleben, wie die Muslime nicht in der Mehrheit sind. Umgekehrt empfinden meine Gesprächspartner das Leben als christliche Minderheit in diesem schwierigen Umfeld und die Auseinandersetzung damit als Stärkung für den eigenen Glauben. "In Europa seid ihr Christen in der Mehrheit, aber die Religion ist euch gleichgültig. Diese Apathie ist ein grösserer Feind für den Glauben, als der Islam!"

Freitag, 11. Dezember 2009

Fremde Welten

Ob ein Nichteingeweihter beim Besuch einer katholischen Messe sich ähnlich fühlt wie ich im Synagogendienst zum Beginn des Shabbat? Alles scheint einer bestimmten Logik zu folgen, die innere Ordnung erschliesst sich mir aber nicht. Einen gemeinsamen Anfangs- oder Schlusspunkt gibt es, dem ständigen Kommen und Gehen nach zu urteilen, nicht, überhaupt ist die versammelte Gemeinde recht lebhaft. Kinder spielen Verstecken, Nachbarn unterhalten sich, vorne singt der Chor. Und keiner nimmt Notiz von den Touristen, die sich "hineingeschmuggelt" haben ...

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Sonntagschristen

Die Lage der arabischen Bevölkerung ist schwierig, und dabei sind die Christen unter ihnen noch die "Privilegierten". "Wer hier Schwäche zeigt, wird zur Beute", sagt mir ein Gesprächspartner. Der tägliche Kampf für die eigenen Rechte sei bürokratisch, langwierig und sehr ermüdend. Mich beeindruckt, mit welchem Einsatz dieser Kampf trotzdem geführt wird und wie mit geringsten Mitteln versucht wird, das Beste aus der Lage zu machen. Ich frage mich, woher die Menschen hier auch nach Jahren noch diese Energie und Motivation nehmen - und bin gleichzeitig beschämt über uns "Sonntagschristen" im Westen, deren Energie sich manchmal im Kampf um die richtigen Personalien zu erschöpfen scheint.

Montag, 7. Dezember 2009

Auge um Auge?

Politik ist nicht das Thema, bei dem meine Vermieterin und ich einen gemeinsamen Nenner finden. Arabische Themen sind für sie ein rotes Tuch, umgekehrt scheint mir ihre Sicht auf Israel viel zu unkritisch. Der Goldstone-Bericht über den Gazakrieg letztes Jahr etwa. Sie findet ihn furchtbar einseitig und parteiisch und ist entsetzt darüber, dass die Schweiz bei der Uno da zugestimmt hat.

Interessanterweise erkundigt sie sich besonders nach meinen Besuche in Ostjerusalem und Bethlehem. Sie selber geht nie nach Bethlehem: Weil sie mit ihrem israelischen Pass nicht das Recht dazu hat, will sie auch mit ihrem Schweizer Pass nicht über den Checkpoint. Schade, denn dann würde sie die Lage ihrer palästinensischen Nachbarn vielleicht anders einschätzen. Und deren Schwierigkeiten. So hat mich heute eine Wegstrecke von Bethlehem in das nichtmal zehn Kilometer entfernte "Tent of Nations" fast eine Stunde gekostet. Das israelische Militär hatte kurz hinter Bethlehem eine Strassensperre errichtet, nur Fahrzeuge mit gelben, also israelischen Kennzeichen durften ungehindert passieren. Für alle anderen hiess es: Warten!

Sonntag, 6. Dezember 2009

Hemmungslos religiös

Immer wieder befremdet mich als Westeuropäerin die hemmungslose Religiosität, die in dieser Stadt allgegenwärtig ist. Die Frage des Kopftuchs bzw. der Kopfbedeckung etwa stellt sich hier gar nicht. Es vereint die Vertreterinnen der drei grossen Religionen. Von Muslimen und orthodoxen Juden erwarten wir dies vielleicht. In unser gängiges Bild des Durchschnittschristen, der vielleicht gelegentlich sonntags und sonst nur zu hohen Feiertagen stumm in der Kirchenbank sitzt, passt es jedenfall nicht. Als "aufgeklärter Westchrist" habe ich Mühe genug mirvorzustellen, dass Jesus exakt an dieser Stelle geboren oder dass er an eben dieser Hausecke erstmals unter dem Kreuz gestürzt sei. Spätestens beim Anblick der afrikanischen Pilgergruppe beim Gartengrab, die fortwährend "He's alive", Jesus lebt, skandiert, muss ich gestehen: Ich weiss nicht, ob ich lachen oder weinen soll.

Samstag, 5. Dezember 2009

Atempause

Freitag Abend, Beginn des Shabbat. Die Stadt, die sonst von früh morgens bis spätnachmittags pulsiert, in der Menschen und vor allem Autos die Strassen verstopfen, ist fast völlig still. Nur vereinzelt hat ein kleines Café oder ein Kiosk geöffnet, und auf meinem Gang in die Altstadt begegnet mir kaum jemand. Eigentlich ganz wohltuend!
Im christlichen Altstadtviertel kommt mir eine Gruppe Musiker entgegen, unter ihnen eine Handvoll Franziskaner. Es ist das Fest der heiligen Barbara, und die Gruppe aus der Pfarrei zieht singend und musizierend durch ihr Viertel, um Alte und Kranke zu besuchen und Häuser zu segnen.

Freitag, 4. Dezember 2009

Sensibles Thema

Auf die Frage nach dem Zusammenleben von Christen und Muslimen in einem mehrheitlich muslimischen Umfeld erhalte ich immer wieder ausweichende Antworten. Das Thema ist sensibel, meine Gesprächspartner zögern. Die Lage in Europa, sind sich die meisten einig, kann ist mit der Lage hier nicht vergleichbar. Im Gegensatz zu vielen Muslimen in der westlichen Welt sind die Christen hier seit 2.000 Jahren verwurzelt, man teilt dieselbe Kultur. Dass das Schweizer Minarettverbot Auswirkungen auf das Leben der hiesigen Christen haben könnte, daran glaubt hier kaum jemand.

Donnerstag, 3. Dezember 2009

Willkommen im palästinensischen Alltag

Als ich die Geburtskirche in Bethlehem betrete, ruft vom Minarett vis-à-vis gerade der Muezzin. Innen das gleiche Bild wie in der Grabeskirche: Horden von Russen drängeln und quetschen sich durch die niedrigen, engen Schlupflöcher, die die einzelnen Gebäudeteile miteinander verbinden. Wie durch ein Nadelöhr muss der Besucher vorbei am Kerzenstand, an dem das Gedränge fast noch grösser ist als vor den heiligen Orten. Aber nur fast. Wer glaubt, durch Anstehen irgendwann in die Geburtsgrotte zu kommen, hat verloren und findet sich, ehe er sich versieht, rasch am Ende der langen Schlange wieder. Auch hier arbeitet man sich am besten mit Ellenbogen voran.

Einen unfreiwilligen Einblick in den palästinensischen Alltag bietet die Rückfahrt nach Jerusalem. Am Checkpoint bei Beit Jala heisst es plötzlich: Keine Ausländer dürfen durch. Also aussteigen aus dem Bus, nach längerem hin- und her zwischen den beiden Kontrollposten zurück nach Bethlehem und über einen anderen Checkpoint. Hier dürfen keine öffentlichen Verkehrsmittel pas- sieren, dass heisst: Raus aus dem Taxi, zu Fuss der Mauer entlang, Passkontrolle, Sicherheitsschleuse, noch mal Passkontrolle, bevor man endlich auf der anderen Seite der Mauer wieder in einen Bus steigen darf. Wenn man die Berliner Mauer und geschlossene Grenzen in Europa quasi nur noch vom Hörensagen kennt, eine eher beunruhigend-befremdliche Erfahrung, für viele Palästi- nenser, die zum Arbeiten nach Jerusalem kommen, alltäglich.

Dienstag, 1. Dezember 2009

Startschuss zum Grabeskirchensprint

Unglaublich rege ist das Treiben an den besonders heiligen Orten. So in der Grabeskirche. Menschen verschiedenster Religionen, Konfessionen und Nationalitäten schieben sich durch den verschachtelten Bau. Überall Weihrauch - die einzelnen Glaubensgruppen scheinen ihr jeweiliges Territorium in dem unübersichtlichen Komplex durch den Gebrauch verschiedener Weihrauchsorten auch olfaktorisch abzustecken. Russen und Osteuropäer drängen sich in die Engelskapelle und zum Grab Christi. Sie packen haufenweise Kerzen aus, die sie hektisch über den Stein reiben, bevor der Wächter sie energisch herausbefördert - damit die nächste Handvoll in den engen Raum gelassen wird. Der Salbstein wird geküsst, auch hier das "Kerzenritual".

Die afrikanische Pilgergruppe sammelt sich unterdessen draussen vor der Tür. Ungeduldig warten sie auf den "Startschuss" der Reiseleiterin, bevor sie regelrecht auf das Eingansportal zurennen - und erstaunlich schnell auch wieder draussen sind. Bei allem frommen Tun gilt kulturübergreifend: Alles muss gefilmt und fotografiert werden, zwischendurch informiert man stolz die Daheimgebliebenen via Natel über das aktuelle Geschehen. Alles in allem ein bizarres Bild. Die wort- und anekdotenreiche "Privatführung" durch Aladin, den ich gestern in der Altstadt kennengelernt habe, ist dennoch erheiternd. Er ist, wie er mir erzählt, ungläubiger Moslem und arbeitet für die Griechisch-Orthodoxen in der Grabeskirche ...

Vielvölkergemisch Jerusalem: Jedem seine Sprache!