Als ich die Geburtskirche in Bethlehem betrete, ruft vom Minarett vis-à-vis gerade der Muezzin. Innen das gleiche Bild wie in der Grabeskirche: Horden von Russen drängeln und quetschen sich durch die niedrigen, engen Schlupflöcher, die die einzelnen Gebäudeteile miteinander verbinden. Wie durch ein Nadelöhr muss der Besucher vorbei am Kerzenstand, an dem das Gedränge fast noch grösser ist als vor den heiligen Orten. Aber nur fast. Wer glaubt, durch Anstehen irgendwann in die Geburtsgrotte zu kommen, hat verloren und findet sich, ehe er sich versieht, rasch am Ende der langen Schlange wieder. Auch hier arbeitet man sich am besten mit Ellenbogen voran.
Einen unfreiwilligen Einblick in den palästinensischen Alltag bietet die Rückfahrt nach Jerusalem. Am Checkpoint bei Beit Jala heisst es plötzlich: Keine Ausländer dürfen durch. Also aussteigen aus dem Bus, nach längerem hin- und her zwischen den beiden Kontrollposten zurück nach Bethlehem und über einen anderen Checkpoint. Hier dürfen keine öffentlichen Verkehrsmittel pas- sieren, dass heisst: Raus aus dem Taxi, zu Fuss der Mauer entlang, Passkontrolle, Sicherheitsschleuse, noch mal Passkontrolle, bevor man endlich auf der anderen Seite der Mauer wieder in einen Bus steigen darf. Wenn man die Berliner Mauer und geschlossene Grenzen in Europa quasi nur noch vom Hörensagen kennt, eine eher beunruhigend-befremdliche Erfahrung, für viele Palästi- nenser, die zum Arbeiten nach Jerusalem kommen, alltäglich.
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