"Zeige mit Deinen Friedhof, und ich
beschreibe Dir Deine Kultur!" Just am Tag vor dem lange geplanten Vortrag
eines Theologenkollegen zum Umgang mit Tod, Bestattung und Totengedenken wurde
in Jerusalem der armenisch-apostolische Patriarch Torkom II. Manoogian zu Grabe
getragen. Eine eindrücklicher Einblick und eine eindrückliche Feier: In grosser
Prozession wird der offene Sarg vom Jaffa-Tor zur St. James-Kathedrale im
armenischen Viertel getragen, wo er bis zum Requiem am nächsten Tag aufgebahrt
wird. Fünf Stunden dauern am Folgetag die Feierlichkeiten, den Strom an
Gläubigen, die dem Verstorbenen die letzte Ehre erweisen, reisst nicht ab. In
vollem bischöflichen Ornat liegt der Tote aufgebahrt in der Mitte der
Kathedrale, im Laufe der Göttlichen Liturgie werden seine Hände und seine Stirn
ein letztes Mal gesalbt.
Viele, Kirchenvertreter wie Gläubige, treten an den
Sarg, berühren den Toten ein letztes Mal. Scheu vor dem Leichnam ist nicht zu
spüren. Media vita in morte sumus, memento mortis, lehre uns bedenken, dass wir
sterben müssen: Was in unsren westlichen Gefilden beschränkt ist auf den
engsten Kreis, auf abgelegene Friedhöfe und klinisch reine Aufbahrungshallen, hat
hier seinen Platz in der Mitte der Gesellschaft. Im Stadtbild, mitten am Tag.