Mittwoch, 24. Oktober 2012

Memento mori


"Zeige mit Deinen Friedhof, und ich beschreibe Dir Deine Kultur!" Just am Tag vor dem lange geplanten Vortrag eines Theologenkollegen zum Umgang mit Tod, Bestattung und Totengedenken wurde in Jerusalem der armenisch-apostolische Patriarch Torkom II. Manoogian zu Grabe getragen. Eine eindrücklicher Einblick und eine eindrückliche Feier: In grosser Prozession wird der offene Sarg vom Jaffa-Tor zur St. James-Kathedrale im armenischen Viertel getragen, wo er bis zum Requiem am nächsten Tag aufgebahrt wird. Fünf Stunden dauern am Folgetag die Feierlichkeiten, den Strom an Gläubigen, die dem Verstorbenen die letzte Ehre erweisen, reisst nicht ab. In vollem bischöflichen Ornat liegt der Tote aufgebahrt in der Mitte der Kathedrale, im Laufe der Göttlichen Liturgie werden seine Hände und seine Stirn ein letztes Mal gesalbt. 
Viele, Kirchenvertreter wie Gläubige, treten an den Sarg, berühren den Toten ein letztes Mal. Scheu vor dem Leichnam ist nicht zu spüren. Media vita in morte sumus, memento mortis, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen: Was in unsren westlichen Gefilden beschränkt ist auf den engsten Kreis, auf abgelegene Friedhöfe und klinisch reine Aufbahrungshallen, hat hier seinen Platz in der Mitte der Gesellschaft. Im Stadtbild, mitten am Tag.

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