Weisser Rauch. Obwohl irgendwie ja erwartet, ist die getwitterte Nachricht, die mich auf dem Abendspaziergang eine gute halbe Stunde von Zuhause erreicht, ein kleiner Adrenalinstoss. "Ich bin in einer Sitzung, kannst Du mich auf dem Laufenden halten", chattet mir Sekunden später ein Freund seine Bitte. Mein Laufschritt zieht an, während ich gleichzeitig nach einem Live-Stream suche, um das folgende Geschehen nur ja nicht zu verpassen. Quer durch ein jüdisches Wohnviertel laufe ich so, den Blick fest auf den kleinen Bildschirm des Smartphones geheftet, und irgendwie "extraterrestre" inmitten der vielen bekippaten Mitspaziergänger. Ein neuer Papst, würde ich diese Information an dieser Stelle ausposaunen, ich erntete wohl nur merkwürdige Blicke. Ob die Glocken auch in Jerusalem für "den Neuen" geläutet haben? Ich kann es nicht sagen, keine Kirche in Hörweite. Am New Gate angekommen, ist das Balkonfenster zum Petersplatz noch immer verschlossen. Michel ist gerade dabei, sein kleines Restaurant zu schliessen. "Ein neuer Papst?" Der Ladenschluss wird kurzerhand ein wenig verschoben, stattdessen der Fernseher angemacht, Noursat, der christliche Kanal des Libanons. "Der Neue" lässt auf sich warten, ungewöhnlich langsam verstreichen die Minuten. Die Spannung ist greifbar, in Michels kleinem Lokal ist es mucksmäusschen still.
Es ist Jorge Bergoglio, Argentinier und bisher Erzbischof von Buenos Aires, der wenig später als Papst Franziskus, erster dieses Namens in seinem Amt, vor die Versammelten treten und mit seiner kaum übersehbaren Nervosität und einem charmanten Lächeln ihre Herzen erobern wird. "Guten Abend" - welch erfrischend normale Worte für den Auftakt eines neuen Pontifikats. Die Bitte um das Gebet für ihn, um das gegenseitige Gebet füreinander und ein warmes "Gute Nacht und ruht Euch gut aus". "Franziskus. Und Argentinier", strahlt Michel. "Das ist gut für uns Palästinenser!"
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