Mittwoch, 6. März 2013

R.I.P.

Er war ein unorthodoxer Orthodoxer. In seiner Siedlung, Tekoa, nicht weit von Jerusalem und Bethlehem entfernt, waren nicht alle sehr begeistert von dem prominenten Nachbarn – als "Dolchstoß in den Rücken unserer Bewegung" empfanden sie seine Annäherungen an die arabischen Nachbarn. Menachem Froman, im Laufe seines Lebens vom Hardcore-Siedler zum Friedensbewegten mutiert, betrachtete die Religion als Schlüssel zum Frieden zwischen Israelis und Palästinensern. Dafür setzte er sich auch schon mal mit Hamas-Führern an den Tisch oder erklärte den Palästinensern seine Solidarität bei ihrer UN-Anerkennungskampagne. Am Montag ist er 68-jährig an seiner langjährigen Krebserkrankung gestorben. Zur Beerdigung kamen Tausende.
Als "Siedler der ersten Stunde" eckte der Rabbiner mit seinen ungewöhnlichen Worten an. Dass viele seiner Nachbarn wenig begeistert über seinen Kontakt zu Arabern waren, quittierte er mit einem milden Lächeln. Er war überzeugt davon, "dass der Plan Gottes für diesen Landstrich ist, dass wir Juden in der Minderheit sind". Menachem Froman passte nicht in die üblichen Schubladen im israelisch-palästinensischen Konflikt. In den 70er Jahren gehörte er zu den Mitbegründern der nationalreligiösen Siedlerbewegung Gusch Emunim; später initiierte er Eretz Schalom (Land des Friedens) – eine Siedlerorganisation, die sich für ein friedliches Zusammenleben von Israelis und Palästinensern einsetzt. Nachdem er aus Sinai und aus Gaza evakuiert wurde, lebte Froman in Tekoa inmitten von Nachbarn, die mehrheitlich nationalreligiösen Siedlerbewegungen nahestehen.
"Tekoa passt eigentlich ganz gut zu mir", sagte Froman mir, als ich ihn vor etwa anderthalb Jahren zu einem Interview traf, von der Erkrankung schon stark gezeichnet. Nach biblischer Überlieferung kam der Prophet Amos von hier, "einer der sozialistischsten Propheten und fundamentalistischer Kämpfer gegen die 'hebräische Arroganz'. Aber nicht unbedingt erfolgreich, von daher bleibt noch genug Arbeit für mich". Seine angeschlagene Gesundheit hinderte ihn nicht, dem nachzukommen, was er als seine Aufgabe ansah: "Ich muss für den Frieden und damit für Gott arbeiten." Fromans Prinzipien dabei waren klar. Biblisch gesprochen: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Übersetzt in des Rabbiners eigene Worte: "Wenn wir Frieden haben und einen eigenen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt, müssen wir dafür sorgen, dass die Palästinenser das auch bekommen. Alles, was uns von Gott gegeben ist, müssen wir versuchen, auch unseren Nachbarn zu bringen."
Dass umgekehrt jüdische Siedler ihre Existenzberechtigung in einem Palästinenserstaat haben, hielt der Rabbiner für eine Selbstverständlichkeit. Für den ersten arabischen demokratischen Staat sei die "Akzeptanz der jüdischen Minderheit in ihren Staatsgrenzen" das wichtigste Kriterium. Die meisten Palästinenser, meinte er, wüssten genau, "dass ihnen 20 Prozent Juden im Staat mehr helfen als irgendwelche Erklärungen Barack Obamas". Weil sie ein Garant für ein besseres Lebensniveau als in anderen Ländern der Region seien, "weil Juden Zustände wie in Libyen oder Syrien nicht akzeptieren würden". Aber eigentlich war die große Politik für ihn ohne Bedeutung: "Mir ist es egal, auf welcher Seite der grünen Linie ich bin und ob die israelische oder eine palästinensische Armee für meine Sicherheit sorgt. Ich bin ein Bürger im Reich Gottes. Da ist es unwichtig, wer der politische Premier ist!" 
(Bild: E. Simanor)

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