Sonntag, 11. August 2013

Kopfkino

Muss man sich für den Film schämen, der im eigenen Kopf abläuft?
Lange habe ich gezögert, als mich ein arabischer Freund zu einer Hochzeitsparty im Norden einlud. Nicht nur, dass arabische Parties mitunter viel zu laut für meinen Geschmack sind und ich befürchten musste, ausser ihm niemanden zu kennen. Im Hinterkopf schwang auch die Sorge mit, keinerlei Zweideutigkeiten aufkommen zu lassen. Den Ausschlag für meine Zusage gab schliesslich, dass er mir sagte, es kämen drei weitere Personen mit uns. Die drei Personen entpuppten sich als russischstämmige jüdische Israelis, Familie der Braut, die wild-laute arabische Party als ein gemütliches Zusammensein einer ganzen Bande junger Russen, salonfähig und jugendfrei in jeder Hinsicht.
Honi soit qui mal y pense.

Moshe und Mohammed

"For one magical moment it seemed like a dream had come true. One state, one park for all its citizens. On the beaches of Jaffa and south Tel Aviv over the past few days one could see masses of Palestinians from the territories who had received permits to celebrate at the forbidden sea; and in Yarkon Park, Moshe, Grisha and Mohammed grilled the same shish-kebab. The music was also mixed – Israeli Mizrahi, Russian and Arab with touches of Hare Krishna from a procession of passing adherents. Quite a few Arabs were listening to Eyal Golan. Multiculturalism. In the park of all its citizens, there seemed to be an Arab majority, perhaps half and half. The “demographic danger,” in all its horror, the Zionist dream cut short for a moment. And yet nothing happened. Moshe, Grisha and Mohammed barbecued and all was well with everyone."
Gideon Levy kommentiert für Haaretz (11. August) die sommernächtliche Multikulti-Atmosphäre im Land

Samstag, 10. August 2013

Zeitzeuge

Er entspricht so gar nicht dem Klischee des Anhalters, der alte Mann, der gebeugt und etwas zittrig Strassenrand steht. Vielleicht ist es seine Verletzlichkeit, die mich anhalten lässt, obwohl ich allein und in einem fremden Auto unterwegs bin. Nicht, wohin ich fahre oder wohin er möchte, sind seine ersten Sätze. "Sprichst Du auch Englisch?", vorgetragen mit einem kindlich-ungeduldigen Stolz. Ich antworte auf Arabisch und biete ihm den Platz auf dem Beifahrersitz. Noch immer kein Wort zum (gewünschten) Fahrtziel. "Ich habe Englisch in der Schule gelernt, damals vor 80 Jahren." Ich setze meinen Weg talwärts fort, Widerstand bleibt aus. "Schätz mal, wie alt ich bin?" 88, die Antwort gibt er sich selber. "Wir haben viel Englisch gesprochen, damals. Mit den Engländern." An einer Kreuzung bittet er mich zu halten. "Heute fahren keine Busse, wegen dem Eid, und ich musste doch noch Batterien kaufen." Ich hätte ihm gern noch etwas länger zugehört.

Freitag, 2. August 2013

Iftar

Es herrscht gespannte Eile in den letzten Minuten vor Sonnenuntergang. Alle wuseln durch das Haus, um noch rasch ein bisschen mehr Essen auf den Tisch zu tragen (als gäbe es nicht schon genug!), Gläser mit Tamarindensaft zu füllen, Datteln parat zu legen. Noch bevor der erlösende Muezzinruf kommt, sitzen alle am Tisch - lang sind die Fastentage in diesem Ramadan, der mitten auf die längsten Sommertage fällt. Gegessen wird beinahe hastig und ungewöhnlich still. "Ich erkläre Dir alles, was Du willst", lautet die Antwort auf meine Frage zu Bräuchen im Ramadan, "nach dem Essen". 
Mit der ersten Sättigung löst sich die Spannung und es wird heiter. Jetzt werden Fragen beantwortet - und noch mehr Fragen gestellt. "Verheiratet? Kinder? Muslimin?" Erst wenn alle biographischen Eckdaten geklärt sind, kann das Gespräch seinen eigentlichen Lauf nehmen, nämlich über Gott und die Welt ...