Der akkustische
Tag beginnt mit dem Morgengrauen. Allahu akbar, Gott ist grösser als alles,
tönt es aus den Moscheen. Es folgen die Kirchenglocken. Sechs Schläge, einer
für jede volle Stunde seit Mitternacht. Alle fünfzehn Minuten wird die Glocke von
nun an läuten, bis am Abend um zehn, dazwischen singt vier weitere Male über
den Tag verteilt der Muezzin. Freitags kommt ein weiterer Ton zum
interreligiösen Konzert hinzu: Ein langanhaltender Sirenenklang, moderner
Ersatz für das traditionelle Schofar, ruft kurz vor Sonnenuntergang zur Eile
angesichts des nahenden Schabbat.
In die vertraute
Kakophonie der Jerusalemer Geräuschkulisse mischen sich Misstöne. Der
islamische Gebetsruf ist einigen Parlamentariern ein Dorn im Ohr. Er schade der
Lebensqualität der Anwohner. Der Gebrauch von Lautsprechern zur religiösen
Beschallung soll fortan verboten werden, fordern sie in einem Gesetzentwurf. Das
Schabbathorn möge die offizielle Ausnahme bleiben, so ein nicht unwichtiger
Zusatz, der ihnen strengjüdische Unterstützung sichern soll. Die akkustische
Reviermarkierung verdeutlicht ein Grundproblem im Ringen um ein Miteinander im
Heiligen Land: Der Ton macht die Melodie!
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