Es ist zwar etwas weniger schönes Wetter als zu Weihnachten
Eins (rk) - am Nachmittag beginnt es gar zu regnen -, aber auch zum zweiten
Geburtsfest (oder dem ersten in diesem Kalenderjahr, je nach Belieben) ist die
Stimmung in Bethlehem bestens. Pfadfinder dudeln und trommeln vor sich hin,
dann und wann werden die Strassen für wichtige Gäste gesperrt, und wieder
einmal ziehen kirchliche Würdenträger (orthodoxe diverser Couleurs diesmal)
feierlich in die Grabeskirche ein. Die palästinensische Polizei überbietet sich
an Freundlichkeit und verteilt an die versammelten Journalisten und Fotografen
eigens für diesen Anlass gedruckte Weihnachtskarten. Und während sich in den
traditionsreichen Gemäuern rechts alles um die Geburt dreht, ist man in der
benachtbarten Katherinenkirche links schon ein paar Wochen weiter im
(liturgischen) Kalender und bei Epiphanie angekommen.
Und da auch
rund um die Geburtskirche jedwede Handlung eisern dem Status Quo zur Befriedung
der diversen Beteiligten folgt, ist die Choreographie der zeitgleichen Feiern
der verschiedenen Konfessionen mit fast deutsch anmutender Präzision geregelt: Erst
wenn die griechisch-orthodoxe Liturgie des Heiligen Abends endet, dürfen die
Lateiner in die Grotte – laut Zeitplan ist das von 16 Uhr bis 16.25 Uhr. Runter
dürfen sie in Geleit zweier Griechen und eines Armeniers, während ein weiterer
armenischer Vertreter nebst Ehrengarde den nördlichen Ausgang besetzt.
Ähnliches Spiel gilt für die Kopten, die ebenfalls Weihnachten Zwei feiern. Der
Kopte hat auf dem Teppich zu stehen, den die Griechen ihm vor den Altar
bereitet haben, während es den Syrern in diesem Zeitraum untersagt ist, sich im
Grottentreppenhaus aufzuhalten. Und sind die Griechen fertig mit der
Beräucherung der Grotte, gefolgt von den Syrern und den Kopten, dürfen die
Armenier am Hauptaltar loslegen. Und so weiter. Business as usual. Damit sich die Status-Quo-Wächter
nicht irren ist alles in mehrseitigen Din-A-4-Heften niedergeschrieben.
Ebenfalls
alljährlich sind die kleineren oder grösseren Verspätungen, die das komplexe
Gefüge zumindest im Blick auf den zeitlichen Ablauf empfindlich zu stören
drohen. Aber schliesslich ist hier im Orient dann doch nichts so deutsch, wie es
auf den ersten Blick ausschaut. "Wir müssen noch etwa fünfzehn oder
zwanzig Minuten warten, bis die Gebete von XY beendet sind", heisst es das
ein oder andere Mal in der Katherinenkirche. "In dieser Zeit wird uns der
Chor ein paar Weihnachtslieder singen." Und zum gefühlt zwanzigsten Mal
seit dem 24. Dezember singen wir die sieben Strophen von "Puer natus".
Business as usual. Nur der Türwächter schaut beunruhigt auf seine Uhr. Um halb
sechs muss er die Kirche schliessen. Status Quo oder nicht.
Irgendwann
ist es schliesslich doch soweit. Die Grotte ist frei für die lateinische
Prozession (der Chor singt unterdessen, wie könnte es anders sein, Strophe eins
bis sieben, gloo-o-o-o-o-oo-o-o-o-o-oo-o-o-o-o-oo-riaa in excelsis deo). Das
liebe Jesuskindlein, ein fast lebensgrosses Holzbaby auf güldenem Thron und in
bestickte Mäntelchen gehüllt, wird durch die verzweigten Kirchbauten zu seiner
Geburtsstätte in die Grotte getragen. Und wieder zurück. Business as usual. Nach
feierlichem Abschluss der katholischen Vespern (und bevor in Erwartung der
wichtigen Ehrengäste der orthodoxen Weihnacht der Kirchplatz von den
Sicherheitskräften erneut gesperrt wird, wird das Kindlein zur allgemeinen
Verehrung ausgesetzt. In nicht endenwollendem Strom strömen die versammelten
Gläubigen vor den Altar, um, mehr oder weniger inbrünstig, die barock anmutende
kleine Gestalt mit Küssen und Hätscheleien zu versehen. Ein Anblick, der mir
auch nach vier Jahren irgendwie fremd bleibt.
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