Donnerstag, 28. Februar 2013
Sightseeing in Gaza
"Ich bin in Gaza übers Wochenende!" Der Trip war spontan, der Freund, der mich auf einen Tee einlädt, hatte damit nicht gerechnet. "Da hast Du nächste Woche sicher viel zu schreiben ..." Ich zögere mit meiner Antwort. Eigentlich nicht. Eigentlich sind wir hier, um das Wochenende hier zu verbringen, Freunde in der Pfarrei zu besuchen, den schmalen Landtstrich zu entdecken, Menschen zu treffen. Ferien in Gaza? Klingt irgendwie komisch. Sightseeing dort, wo alle eigentlich vor allem eines möchten: raus.
Abstrahiert man von diesem Gedanken, gibt es auf den 360 Quadratkilometern viel Schönes zu Entdecken. Das Hilarion-Kloster zum Beispiel, wo archäologische Grabungen Reste dreier Kirchbauten aus dem 4., 5. und 6. Jahrhundert zutage befördert haben - und Spuren grösserer Pilgerströme zum Grab des heiligen Einsiedlermönches zehn Kilometer südlich von Gaza-Stadt. Ein junger, engagierter Archäologe führt uns über das Areal. Den obligatorischen Tee gibt's im Anschluss, auf einer selbstkreeirten Sitzecke aus alten Kapitellen und Säulen.
Tee und im Holzofen selbstgebackenes Brot gibt es auch am nächsten Morgen, als wir den englischen Kriegsfriedhof in Deir el Belah besuchen. Surrealistisch- absurd und irgendwie doch wie eine kleine Oase mutet das Gelände an. Englischer Rasen und akribisch präzis verteilte uniforme Grabsteine inmitten orientalischem Chaos. Und inmitten der mehrheitlich kreuzverzierten christlichen Gräber liegen einträchtig eine handvoll Muslime (Halbmond auf dem Stein) und Juden (Davidsstern) und vereinzelt ein Hindu. Posthumer Religionsfrieden am Krisenherd.
Es ist noch früh im Jahr und zu früh am Abend, und so haben wir trotz 25 Grad Aussentemperatur den weiten Sandstrand fast für uns allein. Ein paar Jungs amüsieren sich in einer Art Stocherkahn in Ufernähe - im wunderschönen Sonnenuntergang ein fast schon kitschiges Fotosujet. Wenn man nicht wüsste, wo es ist ...
Anderes, zugegeben, stillt auch einfach nur die journalistische Neugier. Die Tour an den Grenzübergang Rafah nach Ägypten. Der Versuch, in den Philadelphia-Korridor entlang der Grenze zu kommen, um einen Blick in einen der über tausend Tunnel zu werfen. Ein kleiner Umweg zum "Yasser Arafat International Airport". Oder viel mehr dem, was nach der zweiten Intifada davon übrig geblieben ist.
Wo immer wir sind, werden wir freundlich und mit Interesse empfangen. Wie bei Fawzia, die uns in ihrem Haus empfängt und mit orientalischer Mütterlichkeit und einem unschlagbaren Mittagessen verwöhnt. Oder von den Jungs auf dem Markt, die unbedingt aufs Foto wollen ... Ferien in Gaza? Irgendwie schon.
Freitag, 22. Februar 2013
Täter und Opfer
"Es ist manchmal leichter, Opfer zu sein, als Täter." Die Aussage überrascht mich. Sie kommt von Ilana, Tochter von deutschstämmigen Juden, die in den 1930er Jahren aus Deutschland nach Israel geflohen sind. Unser Gesprächsthema: Wie in der Schule mit dem Thema Holocaust und Judenverfolgung umgehen? Wieviel Information muss sein, und ab wieviel ist es zu viel? Mit Rückblick auf meine Schulzeit werfe ich die These in den Raum, es gebe einen Punkt, an dem der gutgemeinte und oft schlecht gemachte Schulunterricht zu dem Thema in seiner insistierenden Repetitivität zum Gegenteil des Erwünschten führt. Zum Überdruss. Nicht so in Israel, kontert Ilana. Von klein auf wachsen israelische Kinder mit dem Thema Holocaust auf, in der Schule und in der Gesellschaft. Von Überdruss keine Spur. Aber eben, "es ist leichter, zu den Opfern zu gehören, als zur Täterseite!"
Freitag, 15. Februar 2013
Früchtchen
Die sich seit Mittag über den Markt schiebenden Menschenmassen ebben allmählich ab. Hier noch ein paar gehetzte Ultraorthodoxe, dort ein paar Menschen mit knapperem Budget, vereinzelt ein Spätaufsteher im hippen Look. Es ist Freitag. In Kürze beginnt der Schabbat. Bevor aber endgültig alles zum Erliegen kommt, heizt sich die Stimmung noch einmal richtig auf. Die Händler wollen vor dem
Wochenende ihre letzte verderbliche Ware unters Volk bringen und kochen
sich gegenseitig hoch im Unterbieten des Nachbarn. Viertelstündlich purzeln
die Preise. Nicht allen scheint das Preisargument im lautstarken Markt-Wettstreit zu genügen. Und ich traue meinen Ohren kaum, als einer der Marktschreiern aus voller Kehle die leuchtend roten Früchte auf seiner Auslage anpreist: "Jüdische Erdbeeren, jüdische Erdbeeren!""Arabische Erdbeeren", grölt es reflexartig von der gegenüberliegenden Gassenseite, und nun kann auch der jüdische Erdbeermann seinen Ohren kaum glauben. Allerdings stellt der arabische Kollege die zweifelhafte Werbung sehr bald wieder ein - und senkt den Kilopreis noch ein bisschen weiter...
Donnerstag, 14. Februar 2013
Happy Valentine, oh Middle East!
"I love you, the Middle East, even though you’ve been
confusing me lately. So the Muslim Brotherhood is the broker of peace between Israel and Hamas. Hamas is empowered by Iran but openly hates the latter. Al-Qaeda and
Israel stage concurrent military attacks on the Syrian government. Dictatorial
Arab monarchs are the harbingers of democracy in Syria and the supporters of
dictatorship in Bahrain. I just wonder, oh region, are angels helping devils
and devils helping angels nowadays? I’m sort of losing track of who is who.
I love you, Sectarian Bugaboo, you are the Arab Dracula of
the last two centuries. Pssst, beware that you might be running out of victims.
Christians and Muslims ruined Lebanon already. Ditto Shiites and Sunnis in
Iraq. Sudan is broken into separate nations. Syria is trespassing along
sectarian fault lines. Militant Copts are already sharpening preventive
hatchets against marching Islamists in Egypt. Jews outdid other members of the
Abrahamic religions in Palestine. Wahhabi zeitgeist is consolidated in the
Arabian peninsula. Running out of options, Sectarian Bugaboo? Try the region’s
cats. Urban legend has it that Shiite and Sunni cats meow in irreconcilable
ways."
Imad Atalla, The Daily Star (14. Februar)
Montag, 11. Februar 2013
Vakanz
"Im Bewusstsein des Ernstes dieses Aktes erkläre ich daher mit
voller Freiheit, auf das Amt des Bischofs von Rom, des Nachfolgers
Petri, das mir durch die Hand der Kardinäle am 19. April 2005 anvertraut
wurde, zu verzichten, so dass ab dem 28. Februar 2013, um 20.00 Uhr,
der Bischofssitz von Rom, der Stuhl des heiligen Petrus, vakant sein
wird und von denen, in deren Zuständigkeit es fällt, das Konklave zur
Wahl des neuen Papstes zusammengerufen werden muss."
Papst Benedikt XVI. erklärte am Montag seinen Rücktritt. Es wäre dies der erste Rücktritt eines Pontifex seit dem 15. Jahrhundert
Papst Benedikt XVI. erklärte am Montag seinen Rücktritt. Es wäre dies der erste Rücktritt eines Pontifex seit dem 15. Jahrhundert
Sonntag, 10. Februar 2013
Auf die Form kommt es an
Die Form von Bourekas, Teigtaschen, stand dieser Tage auf der Tagesordnung des Oberrabbinats. Die Form und seine Auswirkungen auf die Bevölkerung, genauergenommen. Aber "honi soit qui mal y pense":
Die Wahl
der äusseren Form ist nämlich in spiritueller Hinsicht nicht so harmlos, wie es
auf den ersten Blick scheinen könnte. Die Füllung, so ein ungeschriebenes
Gesetz, muss sich an ihrer Hülle ablesen lassen, und dies, damit kein die Speisevorschriften
observierender (und vielleicht des Lesens der hebräischen Beschriftung nicht
mächtiger) religiöser Mensch irrtümlich genussvoll in ein Käseteilchen beisst –
nach dem er zuvor sein Wurstbrot verschlungen habe. Dreieck, so die bisherige
Zeichensprache, signalisiert "milchig". "Parve" versteckt
sich in kantigen Rechtecken.
Und dies, so der Wunsch der obersten Rabbiner, soll auch schön so bleiben, um des Seelenheils willen. Da sag noch einer, es komme auf den Inhalt an ...
(Bild: Nach einem Foto der Jerusalem Post)
Mittwoch, 6. Februar 2013
Humanitäres Schweigegeld
Apartheid generates the Palestinian charity cases for whose
sake important conferences are held and from which many Palestinian and foreign
bureaucrats make a (good) living. The generous aid to the
Palestinians through various channels is the reward offered by Western states
in exchange for the tolerance they show toward Israeli apartheid and the
encouragement they give it, in the form of close defense ties, upgraded trade
relations and cultural and scientific exchanges.
Amira Haas
im Haaretz-Beitrag "Humanitarian hush money" (6. Februar)
Freitag, 1. Februar 2013
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