"Ich bin in Gaza übers Wochenende!" Der Trip war spontan, der Freund, der mich auf einen Tee einlädt, hatte damit nicht gerechnet. "Da hast Du nächste Woche sicher viel zu schreiben ..." Ich zögere mit meiner Antwort. Eigentlich nicht. Eigentlich sind wir hier, um das Wochenende hier zu verbringen, Freunde in der Pfarrei zu besuchen, den schmalen Landtstrich zu entdecken, Menschen zu treffen. Ferien in Gaza? Klingt irgendwie komisch. Sightseeing dort, wo alle eigentlich vor allem eines möchten: raus.
Abstrahiert man von diesem Gedanken, gibt es auf den 360 Quadratkilometern viel Schönes zu Entdecken. Das Hilarion-Kloster zum Beispiel, wo archäologische Grabungen Reste dreier Kirchbauten aus dem 4., 5. und 6. Jahrhundert zutage befördert haben - und Spuren grösserer Pilgerströme zum Grab des heiligen Einsiedlermönches zehn Kilometer südlich von Gaza-Stadt. Ein junger, engagierter Archäologe führt uns über das Areal. Den obligatorischen Tee gibt's im Anschluss, auf einer selbstkreeirten Sitzecke aus alten Kapitellen und Säulen.
Tee und im Holzofen selbstgebackenes Brot gibt es auch am nächsten Morgen, als wir den englischen Kriegsfriedhof in Deir el Belah besuchen. Surrealistisch- absurd und irgendwie doch wie eine kleine Oase mutet das Gelände an. Englischer Rasen und akribisch präzis verteilte uniforme Grabsteine inmitten orientalischem Chaos. Und inmitten der mehrheitlich kreuzverzierten christlichen Gräber liegen einträchtig eine handvoll Muslime (Halbmond auf dem Stein) und Juden (Davidsstern) und vereinzelt ein Hindu. Posthumer Religionsfrieden am Krisenherd.
Es ist noch früh im Jahr und zu früh am Abend, und so haben wir trotz 25 Grad Aussentemperatur den weiten Sandstrand fast für uns allein. Ein paar Jungs amüsieren sich in einer Art Stocherkahn in Ufernähe - im wunderschönen Sonnenuntergang ein fast schon kitschiges Fotosujet. Wenn man nicht wüsste, wo es ist ...
Anderes, zugegeben, stillt auch einfach nur die journalistische Neugier. Die Tour an den Grenzübergang Rafah nach Ägypten. Der Versuch, in den Philadelphia-Korridor entlang der Grenze zu kommen, um einen Blick in einen der über tausend Tunnel zu werfen. Ein kleiner Umweg zum "Yasser Arafat International Airport". Oder viel mehr dem, was nach der zweiten Intifada davon übrig geblieben ist.
Wo immer wir sind, werden wir freundlich und mit Interesse empfangen. Wie bei Fawzia, die uns in ihrem Haus empfängt und mit orientalischer Mütterlichkeit und einem unschlagbaren Mittagessen verwöhnt. Oder von den Jungs auf dem Markt, die unbedingt aufs Foto wollen ... Ferien in Gaza? Irgendwie schon.
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