Die Rede ist vom Pulverfass, von überschrittenen roten Linien, vom Siedepunkt oder von der dritten Intifada: Nicht erst seit den Schüssen auf den rechten jüdischen Tempelberg-Aktivisten Yehuda Glick Mittwochnacht ist die Spannung in Jerusalem förmlich greifbar. Bei meiner täglichen Jogging-Runde warnt mich ein palästinensischer Anwohner von Abu Tor, ich solle lieber eine andere Route wählen ("Siehst Du die Jungs gegenüber in Silwan, die Steine schmeissen? Die können auf die Entfernung nicht sehen, dass Du keine Jüdin bist!"). Als mir die Kette des Rads ausgerechnet vor dem amerikanischen Konsulat abspringt, eilt das Sicherheitspersonal ziemlich schnell nervös zur Hilfe, und auch die unweit des Präsidentenhauses eingelegte Zigarettenpause in der Abenddämmerung ruft innert Sekunden den Wachhabenden auf den Plan.
Seit dem Angriff auf Glick und der anschliessenden Erschiessung des mutmasslichen Täters hat sich die Lage noch verschärft. Zusätzlich zum ohnehin schon mehrfach erhöhten Kontingent an Einsatzkräften sind noch mal mehrere Hundertschaften Polizei und Grenzschutz in die engen Gassen der Altstadt und die benachbarten arabischen Wohnviertel geschickt worden. Viele Geschäfte blieben geschlossen, ähnlich leer wie seither sieht man die Altstadt selten. Für den Moment aber scheint der Plan aufzugehen. Der vielleicht kritischste Moment, die Freitagsgebete, sind ohne die ganz grosse Explosion zu Ende gegangen. Vielleicht hat auch der strömende Regen das Seine dazu getan und die erhitzten Gemüter ein wenig gekühlt.
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