Ausschnitt aus der Sendung "Rock to Bethlehem - Solidarität mit den Christen im Heiligen Land", Radio Horeb vom 26. Dezember
Donnerstag, 30. Dezember 2010
Tabuzone
Wohin mit meinen beiden Katzen, wenn ich mal für ein paar Tage weg bin? Ich frage meine - sehr nette und engagierte - Tierärztin. Gar kein Problem, sagt sie. Es gibt sehr viele Menschen, die "Hausbesuche" machen, und für die Tiere sei das auf jeden Fall besser als ein Ortswechsel. Ich bin erleichtert. Ob sie mir jemanden empfehlen könne, will ich wissen. Wo in Jerusalem ich wohne, lautet ihre Gegenfrage. Altstadt, nahe New Gate. Altstadt? Auf einmal ist sie nicht mehr so optimistisch. Die Altstadt gehört für viele jüdische Jerusalemer zur "No-Go-Zone", und so fällt ihr auch niemand ein, der an diesem Ort Hausbesuche macht.
Sonntag, 26. Dezember 2010
Zu weihnachtlich, zu christlich
Die ultraorthodoxe jüdische Gemeinschaft von Jerusalem droht mit Boykott. Die Lichtdekoration in der Luxus-Flaniermeile "Mamilla" vor den Altstadttoren sei "zu weihnachtlich", so die Beschwerde – pünktlich zum 24. Dezember. Der Verwaltungschef beeilte sich mit seiner Entschuldigung: Alles sei – wie jedes Jahr - für Chanukka und gegen den Winter geschmückt worden, nicht wegen Weihnachten. Aber man sei bereit, die Lichter mit Stoff abzudecken, falls sie gegen jüdisches Gesetz verstossen.
Volksfest
In der Geburtskirche herrscht den ganzen Tag bis tief in die Nacht ein reges Kommen und Gehen, nicht wenige Pilger und Touristen warten eine halbe Ewigkeit, um in die enge Geburtsgrotte hinabsteigen zu können. Auf dem Krippenplatz Luftballons, Zuckerwatte, einheimische Fastfood-Stände, Pfadfinder mit Trommeln und Dudelsack und traditionelle Weihnachtsschlager: Weihnachten in Bethlehem hat viel von einem Volksfest. Muslime, Pilger, Touristen und einheimische Christen geben eine unvergleichbare Mischung, und alle wollen feiern. Und sollen feiern, wie die hiesigen Kirchenvertreter sagen: "Weihnachten ist in Bethlehem nicht nur ein christliches Fest, sondern eine lokale Tradition für alle Einwohner!"
Für viele Westler wohl ungewöhlich sind die Lautstärke und der Rummel, mit der die "Stille Nacht" hier gefeiert wird, aber die meisten lassen sich von der fröhlichen Stimmung in den Bann ziehen. Und so manch einer sinkt nach Stunden in dem Trubel irgendwann erschöpft in einen Café-Stuhl oder ein Hotelsofa...
Für viele Westler wohl ungewöhlich sind die Lautstärke und der Rummel, mit der die "Stille Nacht" hier gefeiert wird, aber die meisten lassen sich von der fröhlichen Stimmung in den Bann ziehen. Und so manch einer sinkt nach Stunden in dem Trubel irgendwann erschöpft in einen Café-Stuhl oder ein Hotelsofa...
Freitag, 24. Dezember 2010
Weihnachtsfreude
"Ihr müsst Euch mein neues Haus ansehen!" Stolz und kindliche Freude sprechen aus der Stimme eines meiner zukünftigen Nachbarn. Unbedingt will er uns sein neues Heim zeigen. Es ist noch nicht ganz fertig, aber trotzdem ist es für ihn "das schönste Weihnachtsgeschenk". Aufgeregt führt er uns durch jeden Raum, zeigt die Arbeiten, richtet in Gedanken schon mal ein. Sein neues Heim, erklärt er, war früher eine Kirche, wie sich bei den Renovierungsarbeiten herausgestellt hat. Seit mindestens hundert Jahren waren die alten Gewölbe nicht mehr zugänglich., erzählt er uns. Die Franziskaner, denen das Gebäude gehört, sind richtig taff, lautet sein Urteil, und ihre Arbeiter echte Profis."Alle anderen stehlen, nur die Franziskaner investieren!"
Dienstag, 21. Dezember 2010
"Bekannte Geschichte"
"Die Geschichte ist ganz berühmt", sagt der Mann meiner Arabisch-Lehrerin und startet das Musikvideo auf seinem Computer. Samira hat beschlossen, dass der zweite Teil der Unterrichtseinheit dem Hörverständnis dienen soll und ihren Mann gebeten, ein Musikstück von Fairuz, der bekannten libanesischen Sängerin auszusuchen. Wort für Wort übersetzen Samira und ihr Mann das Lied: Der Stern, die Höhle, die Hirten und die Engel, das Kind. Unversehens finde ich mich mit zwei gläubigen Muslimen in einem geschichtsträchtigen Mamelukken-Bau am Fuss der Tempelberg-Esplanaden wieder - um mir wohlbekannte Weihnachtslieder auf Arabisch zu hören...
Sonntag, 19. Dezember 2010
Samstag, 18. Dezember 2010
Loosing my religion
"You waste your time!" – Der junge Israeli gibt sich ordentlich Mühe, die beiden älteren Touristen dazuzubewegen, rechts in Richtung Klagemauer abzubiegen. "Da unten geht es nicht weiter!". Die beiden Männer, rein optisch eindeutig Europäer oder Amerikaner, zögern einen Moment. Eigentlich wollen sie nicht rechts. "Geradeaus ist gesperrt. Nur für Muslime!", setzt der junge Mann nach. Andere Touristen gehen ungerührt an dem Israeli und seinen beiden Gesprächspartnern wider Willen weiter. Noch ein Moment Zögern. "Wir sind Muslime", sagt einer der beiden Männer mit viel Überzeugung in der Stimme und zieht seinen Gefährten weiter. Der Israeli bleibt verwirrt und mit ratlosem Gesichtsausdruck zurück. "Ich wechsle meine Religion hier alle hundert Meter", grinst der eine dem anderen zu.
Mittwoch, 15. Dezember 2010
Religiöse Globalisierung
"You are a priest!", sagt unsre Chorleiterin zu mir. Ich weiss zwar nicht, wie es zu diesem Missverständnis kam, muss aber ob dieser brisanten Aussage lächeln. Nicht ganz, muss ich sie leider korrigieren, ich sei Theologin. Was aber in ihren jüdischen Augen keinen grossen Unterschied macht. Denn eigentlich sucht sie nur jemanden, der mit ihr bei einem Auftritt am 24. Dezember "Christmas Carols" singt...
Sonntag, 12. Dezember 2010
Wetterkapriolen
Nach den verheerenden Waldbränden nun Sandstürme. Und schliesslich dann doch der so dringend benötigte Regen, der die Stadt in eine schlammige Rutschbahn verwandelt.
Donnerstag, 9. Dezember 2010
"No christian music"
Die Einkaufsstrasse, in dem unser (jüdischer) Chor zwecks Mitgliederwerbung ein kleines Strassenkonzert geben will, ist in privater Hand. Sie wird von Juden, Arabern und Touristen gleichermassen frequentiert, und anders als in anderen Malls funktioniert das Mit- und Nebeineinander ganz gut. Unser Auftritt, sagt die Verantwortliche, ist herzlich willkommen. Unter einer Bedingung: "No christian music!"
Ein nicht unerheblicher Teil unsres Repertoires fällt damit weg. Und mir stellt sich die Frage, wie mit so offenkundiger Diskriminierung umgehen. Klar sieht mir die Christin keiner auf den ersten Blick an, und im Chor selbst stört sich niemand daran. Aber will ich an einem Ort singen, an dem ich definitiv nicht willkommen bin?
Montag, 6. Dezember 2010
"Steinachtsbaum"
"Ortsbezogene Performance" nennt sich die Kunst der Schweizer Gruppe "Klat". Umgesetzt im jüngsten Projekt in der Jerusalemer Erlöserkirche : "Listen to the stones". Die Idee dahinter ist interessant. Steine, so die Künstler, sind die "ältesten Bürger" der Stadt, also müssten wir mit ihnen den "Kommunikationskanal" wiederfinden, der uns in der westlichen Kultur verloren ging. Und die Steine - wo auch immer sie herkommen, ob aus jüdischen, christlichen oder muslimischen Bauten - von ihrer Instrumentalisierung "befreien".
Gesagt, getan, waren alle eingeladen, mit den drei Künstlern zusammen Steine aus der Ausgrabung unter der Kirche in den Kreuzgang zu schleppen, wo sie zu einer "künstlichen Ruine" sorgfältig aufeinander gestapelt wurden. Den Aufruf, die eigene Fantasie dabei spielen zu lassen, kam besonders beim jüngsten Performance-Teilnehmer gut an. Nur Steine, fand er, seien langweilig und schmückte das Gebilde mit Grünzeug. Ein "Steinachtsbaum", wie der Nachwuchskünstler festhielt.
Samstag, 4. Dezember 2010
Checkpoint
"Ich habe einen Wunsch, der zum Gebet wird", sagt Weihbischof William Shomali beim Friedensgebet in Bethlehem - "dass alle Palästinenser sich frei bewegen können, ohne Mauer, und ohne Checkpoints!" "Bethlehem, das Herz von Weihnachten, sollte offen sein für alle Völker", pflichtet ihm Bürgermeister Victor Batarseh bei, "aber stattdessen sind wir abgetrennt durch eine hässliche und sehr reale Mauer."
Auf dem Weg nach Bethlehem staut es sich vor dem Checkpoint, viele Männer, die von der Arbeit kommen, aber es ist nur ein Schalter offen, an dem Ein- und Ausreisende sich abwechseln müssen. Obwohl vermutlich alle am liebsten so schnell wie möglich nach Hause möchten, winken die Männer mich ebenso selbstverständlich wie freundlich an der Schlange vorbei, wohlwissend, dass ich mit meinem EU-Pass in ein paar Sekunden über den Checkpoint komme.
Ein ähnliches Bild auf dem Rückweg. Eigentlich sind es nur ein paar Handvoll, die Richtung Jerusalem über den Kontrollpunkt wollen. Da aber immer nur einer durch das Drehkreuz und die Sicherheitsschleuse gehen darf, staut sich trotzdem alles. "Und, wie fühlst Du Dich dabei?", fragt mich ein älterer Palästinenser in der Schlange vor mir. Ich hasse es, meine Antwort. "Ich weiss, aber wir können nichts tun", sagt er und lässt mir lächelnd den Vortritt.
Auf dem Weg nach Bethlehem staut es sich vor dem Checkpoint, viele Männer, die von der Arbeit kommen, aber es ist nur ein Schalter offen, an dem Ein- und Ausreisende sich abwechseln müssen. Obwohl vermutlich alle am liebsten so schnell wie möglich nach Hause möchten, winken die Männer mich ebenso selbstverständlich wie freundlich an der Schlange vorbei, wohlwissend, dass ich mit meinem EU-Pass in ein paar Sekunden über den Checkpoint komme.
Ein ähnliches Bild auf dem Rückweg. Eigentlich sind es nur ein paar Handvoll, die Richtung Jerusalem über den Kontrollpunkt wollen. Da aber immer nur einer durch das Drehkreuz und die Sicherheitsschleuse gehen darf, staut sich trotzdem alles. "Und, wie fühlst Du Dich dabei?", fragt mich ein älterer Palästinenser in der Schlange vor mir. Ich hasse es, meine Antwort. "Ich weiss, aber wir können nichts tun", sagt er und lässt mir lächelnd den Vortritt.
Freitag, 3. Dezember 2010
Zwischen Karneval, Sylvester und Volksfest
Die Einweihung einer Synagoge kommt in Israel sicher häufiger vor als Kirch- oder Altarweihen in unseren Landen. Einmal dabei zu sein ist trotzdem ein echtes Erlebnis: Mit Tanz, Wunderkerzen, Feuerwerk und vor allem mit viel Musik ziehen die Thorarollen in das neue Bethaus ein. In einem fröhlichen Umzug, der für Aussenstehende durchaus Ähnlichkeit mit Karneval oder anderen Umzugsfesten hat – einfach etwas kleiner.
Vorneweg rollt ein "Festwagen", mit Diskokugeln, Leuchtgirlanden und Fahnen geschmückt und mit zwei Vorsänger-DJ's bestückt. Dahinter ein Pulk von Männern, die abwechselnd die Thorarollen tragen und mit ihnen tanzen. Dann die "Combo" aus Trommeln, Schellen und Schofar. Dann das jubelnde Volk. Mitunter schmeissen Schaulustige am Rand Bonbons in die Menge. Nur für einen kurzen Moment des Gebets wird es ernst, als die Thorarollen ihren Bestimmungsort, den Schrei in der neuen Synagoge erreichen. Kaum ist das Gebet beendet, geht es weiter mit Tanz und Gesang. Zumindest für die Männer...
Donnerstag, 2. Dezember 2010
Angriff auf den Rosenkranz
Seit ungefähr einer Woche teile ich mein Reich mit einem "blinden Passagier". Bisher hiess die Devise: Fütter mich, aber komm mir nicht näher. Bis er den Rosenkranz entdeckte. Was gibt's Schöneres für einen verspielten Strassentiger, als eine lange Schnur mit vielen klickernden Perlen dran? Langsam wurden die Kreise um mich und das "Spielobjekt" immer kleiner. Bis er mit einem waghalsigen Sprung über Stühle und Tische zum "Angriff" auf den Rosenkranz ansetzte... Sieg der Neugier.
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