Viele, die erstmals Ostern am "Originalschauplatz" erleben, und die vielleicht eigens dafür angereist sind, betrachten - je nach Naturell - das hiesige Geschehen in einer Mischung aus Schock über die teils rüden Umgangsformen an den Heiligen Stätten, Enttäuschung darüber, dass es bei so vielen Menschen fast unmöglich ist, wirklich an den Feiern teilzunehmen und einer Art adrenalinhaltigen Aufgedrehtheit ob des schnellen Taktes der teils exotisch anmutenden Feiern wie jener der "Beerdigung" Jesu am Karfreitagabend. Ostern ist ein sperriges Fest, ganz besonders in Jerusalem. Der "Zeitplan" für die Kar- und Ostertage ist für die Grabeskirche einzigartig, aufgrund des Status Quo. Schon am Samstagmorgen verkünden die versammelten Pilger und Touristen - Einheimische findet man in der zentralen Ostervigilfeier vor dem Grab nur wenige - "Das Grab ist leer". Der Tag "dazwischen", der Karsamstag, behält dennoch seinen eigentümlichen Charakter des Wartens, denn wer nicht gerade in aller Frühe in der Grabeskirche gefeiert hat, für den ist natürlich noch nicht Ostern. Am Abend dann, wenn die einheimische Christen in ihren Pfarreien Osternacht feiern, füllen sich die Strassen wie zu einem Volksfest. Das Osterfeuer wird mit viel Getöse durch die engen Gassen getragen, und bis spät in die Nacht trommelt und dudelt es von überall her. Welch ein Kontrast zu dem Grabeskirchengemisch aus frommen Pilgern und lärmenden Touristen...
Bevor ich meinen Nachbarn frohe Ostern wünsche, frage ich vorsichtshalber noch mal nach, welcher Kirche die denn nun angehören. Um die Sache nämlich noch ein bisschen zu "vereinfachen", wird für den einen Teil der hiesigen Christen - die Orthodoxen - noch eine ganze Woche vergehen, bis es auch dort heisst: "Christos anesti"... Meinen Nachbarn - zum Grossteil gemischtkonfessionelle Familien - ist das an diesem Abend ziemlich gleich: Es ist Ostern, also wird gefeiert. Und weil's so schön ist, feiert man nächste Woche eben gleich nochmal!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen