Strategisch günstig hat sich die kleine Gruppe im New Gate positioniert. Auf einem Stein vor dem Eingang zur Altstadt stapeln sich DVDs mit kitschigem Sonnenuntergangsphotos als Cover und der unübersehbaren Aufschrift "Jesus", die von einer eifrigen Koreanerin an arabisch aussehende Passanten verteilt werden. Strassenmission von Christen gehört in Jerusalem nicht unbedingt zum alltäglichen Erleben, also werde ich neugierig. Ob wir arabisch sprechen? Nein, alle mögliche andre Sprachen, aber für Bibellesen reichen die Arabisch-Kenntnisse nicht aus. Kein Problem, postwendend werden wir an den Kollegen auf Missionsposten Nummer Zwei (auf der Innenseite des Tores) verwiesen. "Do you know Jesus?" - die Fragen werden präziser. "Klar", sagt mein Begleiter, etwas unwohl in seiner Haut und schon halb im Gehen. "Really? How do you know him?". So schnell werden wir nicht aus den Fängen gelassen. "I heard about him!". Aha. "But do you really know him??" Die Assistentin steht schon mit einem Bücherstapel bereit. "No, I mean, not personally!" Stirnrunzeln von unsrem Gegenüber. Humor ist nicht grad die Stärke der Missionare. Welche Sprache wir denn nun sprechen? "Hebrew", lasse ich meinen Begleiter antworten, schliesslich besitze ich bereits eine Bibel in meiner Muttersprache. Flugs werden uns zwei Exemplare des Neuen Testaments in die Hand gedrückt, auf Hebräisch, gefolgt von einem Buch über das Leben Jesu, ebenfalls in Ivrit, und einem Flyer mit den Angaben, wohin wir uns bei weiteren Fragen wenden können. Derart ausgestattet, dürfen wir weiterziehen.
Nur ein paar Strassenecken weiter, die frisch erhaltenen Bibeln noch unter dem Arm, folgt die nächste skurille Begegnung: "Jesus"-James, seit knapp fünf Monaten auf privater Mission im Heiligen Land, und fast schon auf dem Absprung nach Indien zur nächsten Station auf seiner Reise. Mit seinem wallenden Haar, dem weissen Gewand und blecken Füssen ist er selbst für das Religionserprobte Jerusalemer Stadtbild eine Ausnahmeerscheinung. Ein Israeli mit einer Bibel unter dem Arm scheint umgekehrt für James ein äusserst erfreulicher Anblick. "Are you coming to Jesus?", die systemimmanent logische Schlussfolgerung. Ein kurzer Moment des Zögerns. "Actually, I am still quite far from that..." Ein Schulterzucken von James, Themenwechsel.
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