Samstag, 24. Dezember 2011

Ausnahmezustand

Für die Taxifahrer am Bethlehem-Checkpoint ist es kein guter Tag. Schon Stunden vor dem geplanten Einzug des Lateinischen Patriarchen und seines Konvois sind die Zufahrtsstrassen zum Checkpoint gesperrt, Soldaten und gepanzerte Fahrzeuge säumen den Weg. Auch, wer seinen Weg zu Fuss in Richtung Krippenplatz fortsetzt, kann die seltsame Atmosphäre spüren. Überall Bewaffnete, rund um den Checkpoint israelische Soldaten, weiter in Richtung Stadt dann palästinensische Sicherheitskräfte. Viele Strassen sind menschenleer, was sich schlagartig ändert, je näher man dem Ort des Geschehens kommt. Weihnachtsdeko in den schrillsten Farben blinkt um die Wette, am Fuss des Krippenplatzes sammeln sich lautstark die Scouts mit ihren Trommeln und Dudelsäcken. Die Wege des Konvois sind schon jetzt von Menschenmengen gesäumt. Es ist die übliche Mischung aus Weihnachtsrummel und Volksfest, nur im Medienzentrum herrscht noch einigermassen Ruhe.
 "Can I see you presscard?" Die junge Dame am Empfang ist schon anfangs nicht unbedingt freundlich, aber als ich meine israelische Pressekarte hervorziehe, versteinert sich ihre Miene. Die ist hier nicht gültig, "this is Palestine", schnauzt sich mich an. Ohne palästinensische Pressekarte kein Zugang zum Medienzentrum, keine Diskussion. Die letzten beiden Jahre sei das nie ein Problem gewesen, versuche ich zu argumentieren, ausserdem könne ich zwanzig Minuten meine Akkreditierung der Franziskaner abholen und ihr vorzeigen. "This is only the religious thing", antwortet sie scharf, das interessiere sich nicht (immerhin sind wir hier, um über Weihnachten zu berichten...). "This is Palestine, and if you come to a state, you have to apply for the presscard! We changed our policy this year." Ok, wusste ich nicht, versuche ich es auf die sanfte Tour, aber auch das "kann nicht sein, wir haben schliesslich zwei Mails verschickt." Die bei mir nicht angekommen sind, meine Entschuldigung. Wie auch, ich bin ja nicht akkreditiert, ihre Reaktion. Wir drehen uns im Kreis. Sie greift zum Telefon. Nach ein paar Minuten kommt sie wieder, eine Spur freundlicher und mit einem Formular für die Akkreditierung für die palästinensische Pressekarte in der Hand. Vor ihren Augen darf ich das Formular ausfüllen und abliefern und sie macht "für dieses eine Mal" eine Ausnahme für mich. Ich darf bleiben und arbeiten. In der Zwischenzeit ist meine Franziskanerakkreditierung eingetroffen, die ich ihr der Form halber dann doch vorzeige. "Warum hast Du das nicht gleich gesagt, dass Du von der Franziskanercrew bist" (ich hüte mich tunlichst, diese kleine Ungenauigkeit zu berichtigen) - "das ist die einzige Gruppe, für die eine Ausnahmeregelung gilt!" Nun denn. Im nächsten Jahr dann wohl mit palästinensischer Pressekarte, zur Sicherheit...

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