Montag, 17. November 2014

Gegen den Mainstream

Eigentlich ist es eine hoffnungsvolle Szene inmitten dieser Wochen voller Gewalt: Eine kleine Gruppe junge und nicht so junge Erwachsene und ein paar Kinder haben sich versammelt und werben still mit selbstgemalten Plakaten für friedliches Zusammenleben "aller Kinder Jerusalems". Die Passanten nehmen kaum Notiz von der kleinen Gruppe mit Namen "Kids4Peace". Den Wachleuten aber sind ist sie ein Dorn im Auge. Zwar brauchen Versammlungen von weniger als fünfzig Personen in Israel keine Genehmigung. Aber der Schauplatz der Szene, jene schicke Einkaufsstrasse "Mamilla", die Westjerusalem mit der Altstadt verbindet, ist Privatgrund. Hier bestimmt der Besitzer die politische Linie. Für die "Kinder für den Frieden" heisst das an diesem Abend: Platzverweis. Stille Aufrufe gegen die Gewalt unerwünscht. Erwünscht oder doch zumindest toleriert hingegen ist jener Mitvierziger, der, tagaus, tagein, mit Shirt in den Nationalfarben Weiss und Blau, mit lauter Stimme und amerikanischem Akzent in derselben Einkaufsstrasse Unterschriften für Jerusalem als die "ewige und ungeteilte Hauptstadt Israels" sammelt.
Die spontane Versammlung, Reaktion auf die jüngste Gewalt in Jerusalem, verlagert sich auf öffentlichen Grund – den Bürgersteig an der Hauptstrasse – und provoziert einen kleinen Polizeieinsatz. Man einigt sich darauf, dass die Friedenskinder einen Durchgang für Passanten freilassen, und tatsächlich stoppt in der kommenden Stunde nur noch einmal ein Polizeiwagen vor den Aktivisten. Es sind Tage wie diese, die ihn in seinem Engagement für "Kids4Peace" bestärken, sagt Mohammed, Tage, an denen "die Erfahrung des schwierigen Zusammenlebens nicht sehr angenehm" ist.
Eine Woche später, ein paar Schritte von Mamilla entfernt, am Jaffator zur Altstadt: Statt stiller Mahnwache ist es diesmal ein Friedensgebet, statt den "Kids4Peace" ist es die Gruppe "Tag Meir" ("Schild des Lichts"), die ausspricht gegen die Gewalt und für den Frieden in der Stadt. Statt dem privaten Sicherheitsdienst ist es die Polizei, die die Gruppe des Platzes verweist und einmal mehr deutlich macht: Jene, die in Frieden und Harmonie zusammenleben wollen, sind nicht nur in der Minderheit. Die Mehrheit setzt auch alles daran, dies zu verhindern. Wer in Jerusalem aktiv für Frieden wirbt, braucht ein dickes Fell.
(Bilder: MAB)

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