Freitag, 23. März 2012

Zugehört

"Heute versuchen die Jungen, sich ihre Frau selber auszusuchen. Oder wenigstens, sie vor der Hochzeit kennenzulernen. Ich habe meine Frau nicht gekannt, bevor ich sie geheiratet habe. Das war zu Zeiten der zweiten Intifada; ich war nur alle paar Tage zuhause, die übrige Zeit versteckten wir uns irgendwo. Meine Mutter sorgte sich sehr um mich und stellte mir bei einem meiner Besuche ein Ultimatum: 'entweder du heiratest, oder ich sterbe!' 'wenn du sterben willst, bitte!' Ich hab das für einen Scherz gehalten, an Heiraten hab ich zu diesem Zeitpunkt keinen Gedanken verschwendet.
Aber als ich dann das nächste Mal bei meinen Eltern war, sah sie ganz schlecht aus und sagte mir, sie esse erst wieder, wenn ich dein Versprechen habe, dass Du heiratest. Ein paar Tage später bin ich mit einer Delegation meiner Familie zur Familie meiner Braut gegangen. Als meine zukünftige Frau mir Kaffee serviert hat, war ich so aufgeregt, dass ich nur auf ihre Hände geschaut habe statt in ihr Gesicht, und dann hab ich mir vor Aufregung den Kaffee übergeschüttet und alle haben gelacht. Weil ich irgendwie aus der Situation rauswollte, hab ich gesagt 'ja, sie ist ok', und dann war's offiziell.
Als ich dann in den Frauenraum gehen sollte, um erstmals meiner Braut die Hand zu schütteln, hätte ich sie aus den etwa zwanzig Anwesenden niemals erkennen können. Zum Glück hat mein Vater meine Not erkannt und ist zu mir gekommen, so dass meine Braut aufgestanden ist, um meinem Vater den Respekt zu erweisen und ich wusste, welche es ist. Der falschen die Hand zu geben, wäre einem Verbrechen gleich gekommen ...!"

1 Kommentar:

  1. Ich denke wir vergessen - nur ein paar tausend kilometer entfernt - sehr häufig, wie frei wir sind... Und dass es bei uns vor noch gar nicht so langer zeit - 150 jahre sind nichts im vergleich zur gesamten geschichte - sehr ähnlich war.... Danke für einen blick in die jetztzeit an einem anderen ort

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