Gut ein Dutzend Frauen und ein Mann sind in der Magdalenen-Kirche am Ölberg zur grossen Vesper zusammengekommen. Welten liegen zwischen der andächtigen Stille in dem russisch-orthodoxen Frauenkloster und den russischen Pilgergruppen, die geschäftig-lärmend und nicht selten knapp bekleidet über die Via Dolorosa oder in die Grabeskirche drängen. Der harmonische, fast schon schlichte Raum ist spärlich mit Kerzen erleuchtet, die Ordensfrauen sitzen für uns kaum sichtbar in einer Nische der Kirche.
An die Vesper schliessen sich das nächtliche Psalmengebet und das Morgenlob an, mehr als drei Stunden dauert das Gebet, ohne dass die Anwesenden unruhig auf ihrer Bank umherrutschen. Wer genug gebetet hat, geht wieder, und auch während des Gottesdienstes kommen immer wieder Personen dazu. Von Zeit zu Zeit löst sich jemand aus der Gruppe der Anwesenden und setzt sein Gebet vor einer der Ikonen fort. Die ruhigen Gesänge der Frauen, dann und wann unterbrochen durch das Gebet des Priesters, Weihrauch, das flackernde Licht der Kerzen, die natürlich fliessenden Bewegungen der Betenden um uns herum, die sich immer wieder bekreuzigen und dabei bis zum Boden verneigen: Alles ist in Bewegung und atmet gleichzeitig Ruhe und Andacht.
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