Mittwoch, 26. Dezember 2012

Montag, 24. Dezember 2012

und plötzlich ist Weihnachten








Über Wochen habe ich - Advent und kühlere Temperaturen hin oder her - kaum einen Gedanken daran verschwendet. Von weihnachtlicher Stimmung ganz zu schweigen. Und dann ist es, alle Jahre wieder, plötzlich der Morgen des 24. Am Checkpoint sammelt sich die übliche Meute, hinter Rachels Grab stauen sich schon Stunden vorher Autos mit Bethlehemern in freudiger Erwartung. Ein französischer Freiwilliger aus Bethlehem steht begeistert (auf Bethlehemer Seite) vor der Mauer - "Ich freu mich so, die Mauer offen zu sehen!" Mehr und mehr Militär rauscht an, es verdichten sich die Zeichen, dass es gleich los geht. Und tatsächlich: Da kommt der Konvoi von Mar Elias angerauscht (ok, angesichts des Schrittempos sicher nicht ganz der adäquate Ausdruck ;-) Ein Haufen Ordensleute, Journalisten und Schaulustige säumen den Weg vom Checkpoint-Tor zum Rachelsgrab-Korridor und wie jedes Jahr erhascht man einfach einen leeren Platz in einem der vorbeifahrenden Fahrzeuge. Auf Bethlehemer Seite die üblichen Menschenmengen, viele Kinder - Muslime wie Christen - als Weihnachtsmänner verkleidet, die Pfadfinder tummeln sich unüberhörbar auf dem Krippenplatz, als der lange Fahrzeugtross sich seinen Weg durch die schmalen Gassen bahnt. Und plötzlich ist Weihnachten.

Mittwoch, 19. Dezember 2012

Am Wegrand ...

Ein Gedanke ...

"Ein Gedanke zu Weihnachten: Wenn Jesus und Maria heut lebten, würden sie, als Juden ohne Sicherheit, vermutlich als Lynchopfer feindlicher Palästinenser in Bethlehem enden. Nur ein Gedanke..."  
Mitteilung auf der Facebook-Seite der israelischen Botschaft in Irland, nach wenigen Minuten auch schon wieder vom Netz genommen...Vielleicht wäre es gut gewesen, der Schreiber hätte sich ein paar mehr Gedanken gemacht, bevor er dererlei Schwachsinn postet!

Dienstag, 18. Dezember 2012

Two nights in Gaza




"Nein, es ist alles in Ordnung hier, ich komme gerade von einem Spaziergang durch Gaza-Stadt..." Das imaginäre Telefongespräch mit Familie oder Freunden in Europa lässt mich grinsen, irgendwie hat die Szenerie etwas absurd-surrealistisches. Der dritte Gazabesuch ist längst nicht mehr so aufregend wie der erste Kontakt mit diesem Landstrich, dessen Medienpräsenz seit Jahrzehnten durch schlechte Nachrichten geprägt ist. Auch, wenn nach der jüngsten Welle der Gewalt ein leicht mulmiges Gefühl bleibt bei der Vorstellung von zwei Nächten in Gaza. Nicht wegen der Menschen in Gaza. Sondern aus Sorge davor, dass der Armee auf der einen oder den bewaffneten Gruppen auf der anderen Seite einfallen könnte, eine neue Runde im alten Spiel der Eskalation einzuleiten.


Wie auch immer man sich ein Gebiet vorstellt, in dem die die jüngste Waffenruhe gerade mal drei Wochen alt ist: Zumindest in meinen Vorstellungen sieht Gaza anders aus."Eines jedenfalls ist klar: die Menschen hier sind keine Monster!" Die Worte eines Kollegen beim Rundgang durch Alt-Gaza bringen es auf den Punkt: wo immer wir für einen Moment stehen bleiben, kommen freundliche Menschen auf uns zu, verwickeln uns in Gespräche, sind neugierig und gastfreundlich. In der Moschee ist mein Kollege trotz Gebetszeit gern gesehener Gast, während ich auf ihn warte, verwickeln mich zwei arabische Jungs im Hof ins Gespräch. Am Konditor kommen wir nicht vorbei, ohne typische arabische Sweets in die Hand gedrückt zu  bekommen.


Vereinzelt teure Autos, ungleich häufiger abenteuerlich wirkende Eselskarren. Schicke Neubauten sind ebenso zu finden wie abruchreife Behausungen, die Armut aus allen Poren atmen. Die Zerstörungen der jüngsten Kampfhandlungen, gerade mal einen Monat her, sind ebenso allgegenwärtig im Stadtbild wie die aggressiven Kampfansagen, von islamistischen Gruppierungen mittels sprechender Grafitti oder Poster an Hauswände angebracht. Dazwischen: Auf engstem Raum 1,5 Millionen Menschen, von denen vermutlich die überwiegende Mehrheit versucht, friedvoll das beste aus der schwierigen Lage zu machen und in den Pausen zwischen den grösseren Gewalteskalationen so etwas wie ein normales Leben zu führen ...



Sonntag, 16. Dezember 2012

Forever and ever

"In recent days, I have heard that the Palestinians are saying that the Western Wall is occupied territory. I want to tell them from the closest possible place to the miracle of the jar of oil: The Western Wall has been ours for 3,000 years, and it and the State of Israel will be ours forever."
Benjamin Netanyahu am achten Tag von Chanukka (16. Dezember)

Freitag, 14. Dezember 2012

Gaza international

Drei Männer und drei Frauen aus vier verschiedenen Ländern stehen in der grosszügig geschätzt 10 m² kleinen Hauskapelle, hinter dem Altar ein Priester und ein Diakon, nebenan wäscht eine Maschine Wäsche im Schleudergang. Das Einzugslied französisch, Eröffnung auf arabisch, Lesung englisch, Psalm spanisch, das Evangelium auf französisch. Gabenbereitung auf Italienisch, Hochgebet auf arabisch, lateinisches Sanctus, arabisches Vaterunser und zum Abschluss ein deutsches Ave Maria. Im Hof dudelsacken die Pfadfinder Probe für den dritten Advent, und ein paar Schritte weiter vor der Klostertür rufen diverse Muezzine um die Wette zum Gebet...

Freitag, 30. November 2012

Palestinian people

"Palestine comes today to the United Nations General Assembly at a time when it is still tending to its wounds and still burying its beloved martyrs of children, women and men who have fallen victim to the latest Israeli aggression, still searching for remnants of life amid the ruins of homes destroyed by Israeli bombs on the Gaza Strip, wiping out entire families, their men, women and children murdered along with their dreams, their hopes, their future and their longing to live an ordinary life and to live in freedom and peace. Palestine comes today to the General Assembly because it believes in peace and because its people, as proven in past days, are in desperate need of it. (…)Palestine comes to you today at a defining moment regionally and internationally, in order to reaffirm its presence and to try to protect the possibilities and the foundations of a just peace that is deeply hoped for in our region. (…)
The Palestinian people, who miraculously recovered from the ashes of Al-Nakba of 1948, which was intended to extinguish their being and to expel them in order to uproot and erase their presence, which was rooted in the depths of their land and depths of history. In those dark days, when hundreds of thousands of Palestinians were torn from their homes and displaced within and outside of their homeland, thrown from their beautiful, embracing, prosperous country to refugee camps in one of the most dreadful campaigns of ethnic cleansing and dispossession in modern history. In those dark days, our people had looked to the United Nations as a beacon of hope and appealed for ending the injustice and for achieving justice and peace, the realization of our rights, and our people still believe in this and continue to wait. (…) The moment has arrived for the world to say clearly: Enough of aggression, settlements and occupation. This is why we are here now. (…) The world is being asked today to answer a specific question that we have offered repeatedly: Is there a surplus people in our region? Tell us. The world must say it. Are we a surplus people, or is there a state which is missing which must be embodied on its land, which is Palestine. The world is being asked to undertake a significant step in the process of rectifying the unprecedented historical injustice inflicted on the Palestinian people since Al-Nakba of 1948."
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas vor der Uno-Abstimmung über die Zuerkennung eines Beobachterstatus für Palästina (29. November)

Israeli people

"Today I stand before you tall and proud because I represent the world's one and only Jewish state. A state built in the Jewish people's ancient homeland, with its eternal capital Jerusalem as its beating heart. We are a nation with deep roots in the past and bright hopes for the future. We are a nation that values idealism, but acts with pragmatism. Israel is a nation that never hesitates to defend itself, but will always extend its hand for peace. Peace is a central value of Israeli society. The bible calls on us: בקש שלום ורדפהו – seek peace and pursue it. Peace fills our art and poetry. It is taught in our schools. It has been the goal of the Israeli people and every Israeli leader since Israel was re-established 64 years ago. (…) As for the rights of Jewish people in this land, I have a simple message for those people gathered in the General Assembly today, no decision by the U.N. can break the 4000-year-old bond between the people of Israel and the land of Israel."
Israels ständiger Repräsentant bei der Uno, Ron Prosor, vor der Uno-Abstimmung über die Zuerkennung eines Beobachterstatus für Palästina (29. November)

Sonntag, 25. November 2012

Psychologische Kriegsführung

Die Bevölkerung von Gaza, reduziert auf kleine bunte Kügelchen, die - je nach Farbe - eliminiert werden, oder eben auch nicht. Wundert es da, wenn statt von Toten und Verletzten nur noch von Kollateralschäden die Rede ist und der menschliche Aspekt vergessen geht ...?

Donnerstag, 22. November 2012

Give me a break!

Feuerpause, Explosion, Terrorist, Rakete und Waffenstillstand: Sag mir, welche Vokabeln Du lernst, und ich sag Dir, wo Du lebst. Statt Geschichten über Kibbuzim und heilige Stätten sind es "Krieg und Frieden", der meine Sprachkurse während mehr als einer Woche bestimmen. Ich kann vielleicht immer noch nicht nach dem Weg fragen oder meine Bestellung beim Fischhändler in einer der Landesprachen über die Lippen bringen, dafür bin ich annähernd gewappnet für die unvermeidlichen Diskussionen über die aktuelle Lage am Gazastreifen... Zugegeben: Wir in Jerusalem leben im Paradies verglichen mit den Bewohnern des Südens, ganz gleich auf welcher Seite der Grenze sie sich befinden. Beide Sirenenalarme hatten irgendwie eher etwas Feuerübungen wie früher in der Schule, und den vielleicht eindrücklichsten Teil machten die ständigen Programmunterbrechnungen im Radio "Alarmstufe Rot in ..." aus ... Und doch, als es am Mittwochabend dann endlich heisst "Hafsaqat-Esh", breitet sich selbst im ruhigen Jerusalem deutlich spürbar entspannte Stimmung aus!

Sonntag, 18. November 2012

Kriegskosten

"The first victim of war, it is rightly said, is truth, but its second casualty is humanity." 
Unerträglich seien der wahllose Hass, die Dämonisierung und der Chauvinismus der letzten Tage, kommentiert der ägyptisch-belgische Autor Khaled Diab für Haaretz (18. November) das Kriegsgeschehen am Gazastreifen

Samstag, 17. November 2012

Schabbes

Es ist eine unwirkliche Szene, die sich auf der Kreuzung der Jerusalemer Ha-Neviim-Strasse - einen Steinwurf von den ultraorthodoxen Stadtviertel auf der einen und vom Hauptgeschäftszentrum auf der anderen Seite entfernt - abspielt. Ein paar Handvoll Ultraorthodoxe diverser Couleurs, viele von ihnen Kinder, wippen vor und zurück, laut ihren monotonen Singsang wiederholend. "Schabbes, Schabbes, Schabbes ..." Vorbeifahrende Autos werden mit Drohgesten und dem anhaltend klagenden Schabbes-Schlachtruf begrüsst, dass es noch auf der benachbarten Jaffa-Strasse zu hören ist. Der eine der herbeigerufenen Polizisten scherzt kumpelhaft mit dem strengreligiösen Nachwuchs, exakte kleine Kopien der Grossen, während Ordnungshüter Nummer Zwei auf der anderen Strassenseite seine liebe Mühe hat, seine Autorität gegenüber den Halbwüchsigen zur Geltung zu bringen. "Wer den Schabat bricht, muss sterben! Wie es geschrieben steht" lautet die ebenso mit viel Pathos und unverkennbar jiddischem Akzent vorgetragene wie ernstgemeinte Warnung der Menge an den sündhaften Passanten, der nichts besseres zu tun hat, als die absurde Szenerie auch noch zu filmen ...

Freitag, 9. November 2012

Memento mori II

Die "Verurteilung dreier Spione für Israel", lautete dieser Tage eine der Schlagzeilen einer libanesischen Tageszeitung. Dabei erfuhr der aufmerksame Leser, zwei der drei Übeltäter seien zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Das Urteil für den dritten im Bunde, las man ein paar Zeilen weiter, lautete "death in absentia". Tod in Abwesenheit. Der Betroffene hatte Glück im Unglück und war zum Zeitpunkt seiner Verurteilung ausser Reichweite, versteht der geneigte Leser ohne Zweifel. Dennoch eine merkwürdige Formulierung, dieses "death in absentia", was im Übrigen (behauptet das Lexikon) eigentlich einer Toderklärung einer vermissten Person gleichkommt, - und fast möchte man ihr eine nicht uninteressante philosophische Frage anschliessen: Verlangt der Tod Präsenz, um zum Zuge zu kommen?

Mittwoch, 7. November 2012

alles eine Frage der Übung


Tag für Tag ziehen die Franziskaner betend mit ihrer Prozession von der Kapelle der Lateiner einmal um die Apsis der Griechen, hinunter in Richtung Helenas Kapelle, mit einem Abstecher über den Golgotha-Felsen zum Salbstein ... was aussieht wie seit Jahrhunderten selbstverständlich (und es vermutlich auch ist), will für Neuankömmlinge dennoch geübt sein. So geschehen an einem Nachmittag der letzten Woche. Schritt für Schritt erklärt der Erfahrene dem Grabeskirchenliturgienachwuchs, was es zu tun, was zu lassen gilt. Ein paar praktische Übungen, letzte Fragen, und schon ist es Zeit für die tägliche Prozession.
 (Video: E. Simanor)

Samstag, 3. November 2012

Lauf der Dinge


Sommer oder Winter, egal welche Saison oder Tageszeit. Hussein ist da, Teil des Stadtbildes der Jerusalemer Altstadt sozusagen. Immer ein Lächeln im Gesicht und eine Scherz auf den Lippen, bereit, einen mit seinen Geschichten und Führungen auf eine virtuelle oder reelle Reise mitzunehmen. Wer sich darauf einlässt, den führt er in seine vollgestopften paar Quadratmeter Altstadthaus. 
Bei kräftig süssem Tee gibt es mehr Geschichten aus einem Leben in den historischen Gemäuern. Vieles mutet nach 1001 Nacht, manchmal auch Alladin und die 40 Räuber, und wenig erstaunen würde es, wenn Hussein aus einer der zahlreichen Stapel eine Wunderlampe zöge. "Shabbat Shalom", ruft er einer vorbeieilenden Nachbarin zu, und bringt damit seine Geschichte schmerzhaft knapp auf den Punkt: Er ist der letzte ursprüngliche Bewohner in dem grossen Haus. Rechts, links und über ihm haben jüdische Siedler das Ruder übernommen. Eine Million Dollar habe man ihm für seine alte Werkstatt geboten, sagt Hussein, und im gleichen Atemzug "Für kein Geld der Welt geh ich hier weg!" Seine Familie hat Hussein längst in Silwan installiert, und egal, wieviele seiner Geschichten dem Reich der Fantasie angehören: Mit Hussein wird eines Tages nicht nur ein Altjerusalemer Unikat verschwinden. Sondern auch ein kleines Mosaiksteinchen in der Geschichte der Stadt.

Donnerstag, 1. November 2012

Doppelt gefiltert

Die Strasse zum Bethlehem Checkpoint ist grossräumig gesperrt. Sicherheitskräfte regeln den Verkehr. Es ist das Wochenende vom 27. Oktober, strengreligiöse Juden feiern das jährliche Gedächtnis des Todes "Unserer Mutter Rachel", deren Grab der Tradition zufolge unweit des Checkpoints liegt. Die grünen Egged-Busse werden durchgelassen, ebenso die speziell eingerichteten kleinen Shuttle-Busse. Die weiss-blauen palästinensischen Busse müssen draussen bleiben. Ihre Fahrgäste müssen zu Fuss weiter – nicht aber über die (gesperrte) Strasse, sondern mit einem Umweg über das Gelände des benachbarten ökumenischen Instituts "Tantur". Bergrauf, bergrunter, das letzte Stück über einen kleinen Trampelpfad quer durch einen Olivenhain bis zum Checkpoint. Doch auch an Rachels Grab, inmitten eines schmalen Korridors der israelischen Sperrmauer gelegen, will alles seine Ordnung haben. Während auf der (grösseren) Männerseite Bewegungs- (und Gebets-)Freiheit herrscht, regeln ein Haufen Soldaten auf der beengten Frauenseite den "dichten Verkehr". "Nicht stehen bleiben, ein Verehrungskuss ja, aber dann weitergehen, betet halt draussen, wenn es denn sein muss ..." Zurück zum (grünen) Bus. "Frauen hinten einsteigen, hinten!" Gut, dass grosse Aufkleber an den Fensterscheiben den Fahrgästen versichern, dass freie Platzwahl herrsche und jeder Reisende sich mit Ausnahme der Behindertenplätze überall niederlassen dürfe! Die Guten ins Töpfchen ...

Männer und Frauen

"Nowhere is it written that males need to work. It's good enough if the wife works."
Der Vize-Gesundsheitsminister Yaakov Litzman gibt in einem Interview mit "The Marker" faszinierende Einblicke in die ultraorthodoxe Arbeitsteilung, zitiert nach Haaretz (1. November)

Mittwoch, 31. Oktober 2012

astonishing

"When a drug-dealing prostitute in an Israeli prison asked her new cell-mate, 'What crime did you commit to warrant being handcuffed, strip searched and imprisoned?' the response was astonishing; 'I recited the traditional prayers in the women's section of the Western Wall.'" 
Aus einem Kommentar der Tageszeitung Haaretz (31. Oktober) zur Verhaftung von Anat Hoffman, Vorsitzende der Reformbewegung "Women of the Wall (WOW)" (Frauen an der Mauer), die verhaftet worden ist, als sie an der Klagemauer das Gebet "Höre Israel" anstimmte

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Memento mori


"Zeige mit Deinen Friedhof, und ich beschreibe Dir Deine Kultur!" Just am Tag vor dem lange geplanten Vortrag eines Theologenkollegen zum Umgang mit Tod, Bestattung und Totengedenken wurde in Jerusalem der armenisch-apostolische Patriarch Torkom II. Manoogian zu Grabe getragen. Eine eindrücklicher Einblick und eine eindrückliche Feier: In grosser Prozession wird der offene Sarg vom Jaffa-Tor zur St. James-Kathedrale im armenischen Viertel getragen, wo er bis zum Requiem am nächsten Tag aufgebahrt wird. Fünf Stunden dauern am Folgetag die Feierlichkeiten, den Strom an Gläubigen, die dem Verstorbenen die letzte Ehre erweisen, reisst nicht ab. In vollem bischöflichen Ornat liegt der Tote aufgebahrt in der Mitte der Kathedrale, im Laufe der Göttlichen Liturgie werden seine Hände und seine Stirn ein letztes Mal gesalbt. 
Viele, Kirchenvertreter wie Gläubige, treten an den Sarg, berühren den Toten ein letztes Mal. Scheu vor dem Leichnam ist nicht zu spüren. Media vita in morte sumus, memento mortis, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen: Was in unsren westlichen Gefilden beschränkt ist auf den engsten Kreis, auf abgelegene Friedhöfe und klinisch reine Aufbahrungshallen, hat hier seinen Platz in der Mitte der Gesellschaft. Im Stadtbild, mitten am Tag.

Dienstag, 23. Oktober 2012

what the majority wants

"The 'Jewish' part of 'Jewish democracy' has won big time. The 'Jewish' gave 'democracy' a knockout, smashing it to the canvas. Israelis want more and more Jewish and less and less democracy. From now on don't say Jewish democracy. There's no such thing, of course. There cannot be. From now on say Jewish state, only Jewish, for Jews alone. Democracy - sure, why not. But for Jews only. Because that's what the majority wants. Because that's how the majority defines its state."
Gideon Levy, Haaretz (23. Oktober)

Samstag, 20. Oktober 2012

Das Biest

"Quarante-deuxième semaine de 2012. La bête avait faim. Le dernier repas de la bête remontait à 2008. À l’époque, c’était un autre Wissam, Wissam Eid, un geek génial, un Einstein du renseignement, que la bête avait dévoré. La période avait été gargantuesque : de Rafic Hariri en 2005 à Antoine Ghanem en 2007, la bête, boulimique de naissance, était aux anges. Puis plus rien. La bête a commencé à crever de faim – enfermée dans un placard, quelque part à Damas, à Téhéran ou à Haret Hreik. La bête en pleurait. Mais peu importe : ses dompteurs étaient persuadés qu’ils n’avaient plus grand-chose à craindre. Que le Tribunal spécial pour le Liban allait finir dans le mur, dans ses illusions. Rassurés. Jusqu’au printemps (syrien) de 2011 : ils ont commencé à s’inquiéter ; la bête à espérer. Plus tard, surtout : l’hiver 2012. Puis l’été. Puis l’automne. Et hier, la bête a été lâchée. Pour se faire pardonner, ses dompteurs lui ont offert un festin de reine : encore un Wissam, mais d’un tout autre gabarit."
Ziyad Makhoul für die libanesische Tageszeitung "L'Orient le Jour" (20. Oktober) zum ersten Attentat im Libanon seit 2008

Montag, 1. Oktober 2012

Plakativ

Sukkot in Mea Shearim. Zeit für den jährlichen Konflikt zwischen Autoritäten und der ultraorthodoxen Gemeinschaft um die aus der Sicht der einen ebenso unzulässigen wie aus der Sicht der anderen unabdingbare Geschlechtertrennung in den Gassen der Nachbarschaft. Allen offiziellen Verboten zum Trotz ist die Installation der "Frauengitter", die die Männer vor unmoralischen Kontakten zum andren Geschlecht abhalten sollen, am Vorabend des Festes in den Strassen vorbereitet. Fehlen noch die entsprechenden Hinweise für die betroffene Bevölkerung. Ein arabischer Plakatierer – an normalen Tagen klebt er Todesanzeigen – ist für diesen verantwortungsvollen Job zuständig. Mit seinem mit Papier in grellsten Neonfarben vollgeladenen rollstuhlähnlichen Gefährt arbeitet er sich entlang der Hauptstrasse des ultraorthodoxen Viertels und kleistert was das Zeug hält. "Mi met?", scherzt mein Begleiter. "Ha emet!", grummelt es zwischen zwei schnellen Zügen an der Zigarette. "Wer ist gestorben?" – "Die Wahrheit!"