Zehntausende Jugendliche (und zu ihrem Schutz geschätzt eben so viele Sicherheitskräfte) versammeln sich am Nachmittag im Ostjerusalemer Stadtviertel Sheikh Jarrah zum grossen Umzug des "Jerusalem Day". Kaum einer ist volljährig, und wären nicht die patriotischen T-Shirts, hunderte von Flaggen (die mitunter als "Ganzkörperkondom oder Kopftuch fungieren) und entsprechende Sprechchöre, wäre der Unterschied zu einem Volksfest, Karneval oder der Love-Parade nicht sehr gross. Araber sieht man an diesem Tag wenige in ihrem Gebiet; hier und da stehen vereinzelt ein paar Palästinenser und scheinen fassungslos angesichts der zionistisch-nationalistischen Menge. Die Zuwege zum "Highway No. 1" und zur Altstadt sind grossräumig abgesperrt. Am Grab des Shimon HaTzadik trifft eine kleine Gruppe linker Gegendemonstranten mit ihren Transparenten ("Stopp the occupation", "Israel is a racist state" und "Jerusalem will not be Hebron") auf eine deutlich grössere Gruppe Siedler, dazwischen eine Reihe Militärs, bis an die Zähne mit Tränengas und Co. bestückt. Die Sprechchöre und die Gegengesänge werden lauter und aggressiver, aber alles bleibt ruhig.
Langsam setzt sich der Zug in Richtung Altstadt in Bewegung. Dann und wann sieht man einen (zahlreichen) Familiebvater - einen der Jüngsten auf den Schultern, das Gewehr um die Schulter. Am Damaskustor tanzen und singen die verschiedenen Gruppen, jede mit eigens kreierten J-Day-T-Shirts bestückt. Die Strassen der Altstadt sind, von der eindringenden Jugendmenge abgesehen, menschenleer, die arabischen Läden an diesem Nachmittag geschlossen. Die wenigen Araber, die trotzdem den Weg durch die Altstadt wählen, bleiben früher an einer der Sicherheitssperren hängen - Passkontrollen und andere Schikanen. Und irgendwie ist es ein treffendes Bild für das Leben in diese angeblich so heiligen Stadt: Die jüdische Jugend zieht auf der einen Strassenseite um die Altstadt, dazwischen eine (zusätzlich von Soldaten gesichterte) Metallabsperrung, während die andere Strassebseite (Strassensperren!) autoleer und lediglich von ein paar verständnislosen arabischen Jungs gesäumt wird).
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