Samstag, 30. April 2011

Grenzgänge

In der Grabeskirche drängen sich Katholiken, die sich beim Auszug den Weg durch die orthodoxen Brüder und Schwestern auf dem Kirchplatz bahnen müssen. Ein paar Strassen weiter strömen vor allem ultraorthodoxe jüdische Familien zur Pessachfeier ins jüdische Viertel, wieder ein paar Meter weiter treffen sich die armenischen Christen zur Fusswaschung. Nach der Fusswaschung geht es wieder in die orthodox-jüdische Menge, diesmal gegen den Strom. Der Weg zum Abendgebet im Garten Gethsemane durch die Altstadt fällt auf das Ende des Abendgebets auf dem Tempelberg, und so sind es diesmal Muslime, die den Besucherstrom dominieren. Zu keiner Zeit wird das vielfältige Mit-, Neben- und Durcheinander von Religionen, Kulturen und Völkern in dieser Stadt wohl so greifbar wie während der Pessach- und Ostertage.
Alle paar Meter und Minuten überquert man eine (selten so deutlich sichtbare) Grenze von einem Milieu ins nächste, und an wenigen Punkten und Momenten scheint sich alles zu mischen, wie am Freitagnachmittag, als Christen aller Konfessionen vom Löwentor die Via Dolorsa zur Grabeskirche herunter ziehen, während Muslime nach dem Ende des Freitagsgebets aus der Stadt strömen und (mehrheitlich ultraorthodoxe) Juden aus den angrenzenden Vierteln sich zum Beginn des Schabbats zur Klagemauer begeben. Ein paar Quadratmeter Altstadtgasse werden so für einen kurzen Moment zu einem wahren Panoptikum dieser verrückten Stadt. 

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