Dienstag, 3. Mai 2011

Gelungene Show

Es ist eine skurile Veranstaltung und irgendwie surreal. Auf dem kleinen Holzboot um Weihbischof Giacinto Marcuzzo versammelt: Eine halbe Busladung israelischer und ausländischer Medienleute, ein Grüppchen arabische Christen einer kleineren Gemeinschaft und etwa 20 junge Männer, Seminaristen des charismatisch-konservativen Neokatechumenats und die verbliebenen Vertreter des Tourismus-Ministeriums. Die ranghöheren Vertreter haben sich schon vor der Bootstour von der Gruppe verabschiedet.
 Die Überfahrt über den See Genezareth im "Jesusboot", gekrönt von einem Zertifikat für alle Mitreisenden, ist das vorletzte Highlight der Presse-"Pre-Launch"-Tour auf dem demnächst einzuweihenden "Gospel Trail", neuestes Kind der offiziellen israelischen Tourismusindustrie im Wettstreit um den grössten Wachstumsmarkt: den christlichen Pilgern und Touristen. Damit auch wirklich jeder potentielle Interessent erreicht wird, werden Wander-, Rad- und Buswege geboten, alternative Zusatzstrecken sollen den sportlicheren Bibelfans ein Anreiz sein. Damit das alles auch bei der Zielgruppe ankommt, darf die Presse noch vor dem offiziellen Start ein kleines Teilstück (der uns unterstellten schlechten Kondition wegen abwärts) probelaufen. Begleitet von besagten Seminaristen, zum Leidwesen der Fotografen vom Tourismusministerium alle mit dem gleichen weissen Baseball-Käppi ausgestattet, zur Freude der Kameramänner sing- und spielfreudig. 
Eigentlich hatte man den Bischof  gebeten, bei der Überfahrt mit den Seminaristen eine Messe zu feiern, der Presse zuliebe - oder vielleicht doch eher des malerischen Werbeeffektes wegen? Doch Marcuzzo spielt seine Rolle gut und macht aus der "Messe wie wir sie kennen" kurzerhand eine kunterbunte Abfolge von Bibellesungen (mit eingeschobenen Aktualisierungskommentaren des freudig strahlenden Bischofs) und lateinamerikanischen, arabischen und jüdischen Gesangseinlagen. Selbst eine Passage aus der Bibel vortragen - wie von Marcuzzo wärmstens beworben - will keiner der mitgereisten Journalisten so recht, dann doch lieber die hübsche Szenerie in Bild und Ton festhalten.
Während das Wandern von verschiedenen, in Bibel und Überlieferung mit dem Wirken Jesu verbundenen Orten durchaus neben der ökonomischen auch eine spirituelle Komponente hat, ist das letzte Highlight  Touri-Nepp in höchster Vollendung. Das Abschlussmahl, auf einer schönen Terrasse mit Blick auf das (verbaute) Tiberias und das (malerische) Seeufer serviert, umfasst neben den regional üblichen Vorspeisen lauter Hauptspeisen, sie sie auch Jesus und seine Schar auf dem Teller hatte (wie uns das Personal glaubhaft versichert): Gebratene Fische, Rindfleisch, Huhn und Ente, verteilt auf diverse Gänge. Offenbar scheint man in Galiläa und insbesondere in der dortigen Tourismusindustrie gut informierte geheime Quellen über die kulinarischen Vorzüge biblischer Personen zu haben...