So ganz wohl ist uns allen nicht, als wir in der einsetzenden Abenddämmerung die holperigen Pfade nach Lifta hinabsteigen. Die Überreste des arabischen Dorfes am Eingang von Westjerusalem sind seit 1948 unbewohnt, oder zumindest fast. Als eines der letzten Opfer des 1948-Kriegs ist Lifta fast vollständig in seiner Struktur erhalten, zugewachsene Wege schlängeln sich zwischen den Ruinen durch, grosse Kaktusfeigen markieren die ehemaligen Grundstücksgrenzen. Ein noch intaktes Bassin, gespeist aus Quellwasser, dient (männlichen) jüdischen Ausflüglern als Bad. "Bitte gebt mir einen anderen Namen, während wir hier rumlaufen", bettelt unsre arabische Begleitung, "wie wäre es mit Suzanne?"
In jüngster Zeit haben sich ein paar jüdische Familien in den alten Häusern eingerichtet, und das Dorf steht im Zentrum verschiedener Spekulationen. Israels Land-Administration würde das Dorf am liebsten verkaufen - der Plan lautet: Luxus-Appartements, Einzelhandel, Nobelhotel. Der arabische Name des einst malerischen Dorfes in bester Lage ist auf dem Hinweisschild schon längst übermalt. Andere halten das Dorf als Zeugen einer allzu gern verdrängten Zeit für erhaltenswürdig. Ein grosses "Freilichtmuseum" ist ihr Plan, dem sich sogar ehemalige Bewohner Liftas angeschlossen haben - "immer noch besser als zerstören". Glaubt man den Anzeichen, sind die Weichen längst gestellt: Ein Bauzaun umschliesst den oberen Teil des Wegs, während wir hinunterklettern, wird weiteres schweres Gerät angefahren. Auch an diesem Abend baden ein paar Juden in dem Quellwasser, aber ein kurzes Nachfragen ergibt, dass sie mit unsrer Präsenz kein Problem haben - selbst Photos sind erlaubt.
Angespannt wird die Lage erst, als ein paar Jungs mit Kipa auf dem Kopf in einer der oberen Ruinen auftauchen. No photos, schreien sie uns an, wir sollen uns vom Acker machen, wir hätten dort nichts zu suchen. Der Weg durch das Dorf ist öffentlich und sogar als israelischer Wanderweg weiss-blau-weiss markiert, aber die Stimmung ist alles andere als entspannt. "Suzanne" und wir wagen uns trotzdem ein paar Meter tiefer ins Dorf. "We will fuck you", schreit es von oben, und auch die Intervention der russisch-jüdischen Familie an der Quelle bringt keine Ruhe. Unter englischen und hebräischen Beschimpfungen klettern wir weiter in Richtung der alten Moschee, die jüdischen Jungs verfolgen uns ein paar Meter höher und postieren sich oberhalb des Wegs auf einem der Dächer. Eigentlich waren wir gekommen, um in aller Ruhe und im Abendlicht ein paar schöne Bilder von dem Geisterdorf zu machen - bevor die Sommersonne die letzten Reste grün verbrennt. Oder das schwere Gerät neue Fakten schafft. Aber die Aussicht auf nicht mehr nur verbalen Beschuss von oben lässt uns schliesslich umkehren. Offenbar gibt es Menschen, die ein grosses Interesse haben, dass die Erinnerung an Lifta bald der Vergangenheit angehört. Photos von den Dorfruinen passen da nicht ins Konzept.
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