Donnerstag, 17. März 2011

Hoher Besuch

Ich weiss nicht, wieviele Katholiken Jerusalem hat. Aber ein Grossteil von ihnen muss sich gestern aufgemacht haben, um die Reliquien der Heiligen Thérèse von Lisieux in Jerusalem zu empfangen und in einer feierlichen Prozession zur Co-Kathedrale des Lateinischen Patriarchats zu begleiten. Das Jaffa-Tor  - dem Eingang zu einer der Hauptachsen der Altstadt, an der üblicherweise ein ziemliches Gewimmel von Touristen, Taxis und jüdischen Betern auf dem Weg zur Klagemauer herrscht - ist für einmal völlig in Beschlag genommen, und die kleine Minderheit im Stadtbild sehr präsent.

Eine fröhlich jubelnde Menge aus Klerikern, Ordensleuten, Laien - und vielleicht hier und da vereinzelten Schaulustigen - empfängt den Prozessionszug mit dem Reliquienschrein der französischen Ordensfrau. Vorweg - darf hier schliesslich bei keiner religiösen Grossveranstaltung fehlen - die Pfadfinder mit Trommeln und Dudelsack. Ein paar orthodoxe Juden, die auf ihrem Weg von Klagemauer nach Westjerusalem durch den Prozessionszug mit Kreuz und Weihrauch aufgehalten werden, wirken sichtlich irritiert und suchen Hilfe beim Sicherheitspersonal.



Ein bisschen ist es wie Karneval, nur besinnlicher, wenn auch auf die orientalische Art. Bunte Blütenblätter werden auf den Schrein geworfen, viele versuchen, ihn im Vorbeizug zu berühren. Viele schwenken Fahnen in den vatikanischen Fahnen, bedruckt mit dem Antlitz der Karmelitin, eine Gruppe trägt ein grosses Transparent durch die Menge. 
Durch die schmale Gasse führt die Prozession zum Patriarchat, und auch dort herrscht ein andächtiges Gewimmel. Hunderte drängen nach dem Gottesdienst zum Schrein mit Teilen eines Oberschenkels und eines Fussesder Heiligen. Einmal das Schutzglas um den Reliquienschrein berühren, ihn küssen, den Rosenkranz oder den eigens zur Wallfahrt der Thérèse-Reliquien kreierten Schal auf den Schrein legen - den Reliquien so nahe sein wie nur möglich. Der Franziskaner und die älteren Pfadfinder, die mit der Ordnung vor dem Schrein betraut sind, haben sichtlich Mühe, alles in geordneten Bahnen zu halten. Eine Schwangere presst ihren Bauch fest an das Schutzglas. Ein paar Ordensschwestern verteilen untereinander Taschentücher, in die jede fein säuberlich ein paar Blütenblätter vom Schrein einwickelt. Sehr ungewohnt und gewöhnungsbedürftig aus der Sicht einer westeuropäischen Christin, aber irgendwie doch sehr bewegend.


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