Samstag, 30. Juli 2011

Rezept für Krieg

"Dann gab es den Satz: 'Wir werden die Palästinenser für ihre Worte und Taten verantwortlich machen.' Applaus! Aber kann Obama ein einziges Beispiel dafür anführen, dass er als Präsident das je getan hätte, ausser vielleicht in Form einer Pressemitteilung des Aussenministeriums? Was würde ein pro Israel eingestellter Präsident tun? Er würde den Palästinensern sagen, dass es kein Recht auf Rückkehr gebe. Er würde zur Bedingung für Friedensverhandlungen machen, dass die Araber ihre Einstellung Israel gegenüber grundlegend ändern. Und er würde aufzählen, was für schwerwiegende Konsequenzen es hätte, wenn die Hamas an der Regierung beteiligt würde. So könnten die Grundlagen für einen Frieden aussehen. Was Obama angeboten hat, ist ein Rezept für einen Krieg."
Bret Stephens, Kommentator beim "Wall Street Journal", in einem Gastkommentar für die "Basler Zeitung" (30. Juli)

Donnerstag, 28. Juli 2011

Exilschmerz

"People need a home. People need to know where they come from. People need a place where they feel they belong, a place where, for reasons which may elude all understanding, they feel profoundly and uniquely rooted. A part of things, rather than simply and permanently apart. Some people - and there is luck in this - feel completely at home in the place they live. Others, for reasons which may have to do with the way they look or the way they talk or the reactions of other people or because of such things as family history, feel an ache that does not go away. It cannot go away, because it was made by exile. The Jews, as a people, are made of this ache. The Palestinians are as well."
Niemand habe das Recht über das Heimatgefühl eines anderen zu urteilen, schreibt Bradley Burston in seinem Blog

Mittwoch, 27. Juli 2011

Haredi-Facebook

Männer rechts, Frauen links: Mit der Zeit gehen, ja, aber bitte immer schön getrennt! Nicht als Alternative zu Facebook sieht der Erfinder von "FaceGlat" sein Produkt, sondern sein koscheres Sozialnetzwerk sei eine sauberere Variante für ein ganz spezielles Publikum – für "gottesfürchtige Menschen", die sich um die Erziehung ihrer Kinder sorgen und die das auf Facebook publizierte Bildmaterial nicht tolerieren können. Basisprinzip des koscheren Facebook ist die strikte Geschlechtertrennung, dazu kommen die Kontrolle veröffentlichter Fotos und ein spezieller Wortfilter, der bestimmte Inhalte blockiert. 
FaceGlat scheint den Haredi-Nerv der Zeit zu treffen: Rund hundert Neuanmeldungen täglich verzeichnet das Netzwerk seit seinem Start – gleichzeitig die grösste Sorge des Gründers: Der Erfolg seiner Produktes könnte noch mehr Menschen zur Anmeldung animieren. Und diese dann ihre Zeit im Internet verschwenden, statt die Thora zu studieren. Für diesen Fall, versichert er, werde er das Netzwerk wieder abschalten.

Einseitig oder nicht

"Israel wird diesen Staat nicht anerkennen, egal ob er einseitig ausgerufen wird oder nicht. Die jetzige Regierung Israels will keinen Staat Palästina. Sie will keinen einzigen Quadratmeter des Landes Palästinas abgeben. Darum geht es ja im Grunde genommen. Es ist der Kampf der Palästinenser um das Recht ihren eigenen Staat zu haben und die israelische Besatzung zu beenden."
Der israelische Journalist und Friedensaktivist Uri Avnery zur Diskussion im Interview mit der Deutschen Welle (26. Juli) um die Ausrufung eines Palästinenserstaates

Montag, 25. Juli 2011

Befremdlich

Eine neue Studie aus Cambridge, vermeldeten israelische Medien kürzlich, habe ergeben, dass die Nachfahren deutscher Juden einen deutlich höheren IQ haben als der weltweite Durchschnitt. Der Durchschnitts-IQ jener Aschkenasen liege bei 117 und damit um 20 Prozent höher, erfährt der neugierige Leser. Während die visuell-räumlichen Fähigkeiten unterdurchschnittlich seien, lägen die mathematischen und sprachlichen Begabungen über dem Durchschnitt. Als weiteres Beispiel der besonderen Intelligenz dienen Zahlen von amerikanischen Universitäten: nur 2,2 Prozent der amerikanischen Gesellschaft sind aschkenasische Juden, aber nimmt man die Elite-Colleges, so kommen Aschkenasen auf stolze 30 Prozent. Die Studie trägt den Titel "From Chance to Choice: Genetic and Justice". Aus deutsche Sicht kommen Gedanken an die Debatte um Thilo Sarrazin, um nicht weiter in der Geschichte zurückzugehen…

Sonntag, 24. Juli 2011

Kein Kollektiv

"The era of 'the tribes of Israel are together' has ended. We will no longer sing 'Brothers Sitting Together.' We will no longer dance 'Let us toast this nation, and how good it is that it is like this' - not even at weddings. The process was long, but the moment of awareness has been short and cruel and is taking place right now. The tribes of Israel are more divided than at any time in the biblical or modern age. The collective has become the separate. There is no one nation in any sense, neither national nor civic. From a loose but durable federation of aspirations and points of view, the nation has become an arena for clashes, cursing and imposing one's will. It's terrible that this has happened.
In the entire history of the Jewish people, it's hard to find more hostility, disintegration, obscene language and mutual abhorrence. Very rarely in Israel's history has solidarity been so weak. Never in the country's history has such tension existed between the Diaspora and Israel. Israel's renaissance in its land is collapsing under the weight of internal disagreements that this nation had been so good at restraining during all the years of the exile and the best years of Zionism and the state."
Fania Oz-Salzberger im Kommentar "The collective has come apart", Haaretz (22. Juli)

Dienstag, 19. Juli 2011

Mehrheiten - Minderheiten

"The Arab population is on the side of democracy not because of any special genes - after all, when it comes to genes they actually suffer from serious problems - but because that's the way of the world. Deprived minorities are a force for democracy. The Jewish minorities that lived in many countries are clear evidence of this phenomenon. A deprived minority will look for democratic allies among the majority, while the democrats among the majority consider the oppressed minority an ally. That axiom does not exist here in Israel. Is it the bitter conflict that is preventing Jewish democrats from forming an alliance with the Arabs, for fear of being accused of treachery? Do the Arabs fail to explain their views adequately, with some of their representatives displaying a talent for arousing the antagonism of the majority against them even when they talk about flowers? It used to be said that the Palestinians have a just cause and a bad lawyer (...)
The rank and file Arab citizen must be given the feeling that he has a good reason to go out and vote - that he has allies. That has to be done with heads held high, not in the spirit of the Arab proverb, 'My heart desires him, but I'm ashamed of him', but in the spirit of the words uttered hundreds of years ago by Luqman Ibn Eid: 'And perhaps you have a brother to whom your mother did not give birth?'"
Oudeh Basharat im Haaretz-Kommentar (19. Juni) über fehlende Allianzen zwischen israelischen und palästinensischen Demokraten

Samstag, 16. Juli 2011

Der Beweis

Der Polizist beim Jaffa-Tor stoppt uns auf eher ruppige Weise. Woher, wohin, warum? Zugegebenermassen könnte mein jüdischer Begleiter durchaus als Araber durchgehen. Er antwortet auf Hebräisch auf eine Frage, die ich nicht verstehe, und  der Polizist wendet sich, ebenfalls auf Hebräisch, mir zu. Mein Begleiter antwortet an meiner Stelle, ich verstehe Bruchstücke - deutsch, Journalistin, katholisch, Jerusalem. Der Polizist, stellt sich  heraus, hielt mich für die Israelin und sah sich in der Pflicht, meinen vermeintlich arabischen Freund zu überprüfen.  Unter den Ärger über dieses verbreitete Vorgehen mischt sich eine gewisse Genugtuung meinerseits, ein unmittelbares Beispiel für den Blödsinn des unlängst beschriebenen Phänomens liefern zu können - zumal in Begleitung Eines, der es besser zu wissen schien.

Freitag, 15. Juli 2011

Schubladen

"Du warst in einer SIEDLUNG??" In den Augen mancher Freunde ist schon die Tatsache, dass ich mich auch im jüdisch-israelischen Milieu bewege, eindeutig ein Negativpunkt auf meiner Liste. Der Besuch in einer Siedlung, noch dazu einer, die mit einer eher "right-wing"-Bevölkerung nicht mal zu den "harmloseren" "Wirtschaftssiedlungen" gehört, ist gleichzusetzen mit "Verrat an der palästinensischen Sache"! Von jüdisch-israelischen Freunden hingegen kommen schon mal Bemerkungen à la "Komm doch Shabbat zu uns, Du siehst ja sonst doch immer nur die andere Seite...!" Oder, wie es ein Freund unlängst formulierte: "Zwischen uns liegen unüberwindbare Gräben - ich bin bei aller Kritik an Israel als Jude hergekommen, weil ich dieses Land liebe und es diese Unterstützung braucht. Du bist von Berufswegen israelkritisch und propalästinensisch und könntest damit schon gar keinen Platz haben in dieser Gesellschaft!"

Vielleicht ist es nicht das schlechteste Zeichen, wenn beide Seiten einem Parteinahme für die jeweils andere Seite vorwerfen. Und sicher ist es ein gutes Zeichen, wenn man sich unter Freunden solche Dinge an den Kopf werfen kann. Trotzdem gibt es mehr und mehr Tage, an denen dieses Schubladendenken nervt. Und mittlerweile weiss ich nicht mehr, was mich mehr stört: die arabischen Händler im Souk, die mit einer bornierten Hartnäckigkeit auf Hebräisch antworten, wenn ich gerade auf Arabisch erklärt habe, dass ich kein Hebräisch spreche - oder die jüdisch-israelischen Freunde, die es für ganz und gar ausgeschlossen halten, dass man mich für einen Teil eben dieser jüdisch-israelischen Gesellschaft halten könnte...

Nationalsymbole

"National symbols rarely make much sense and much too often tend to be fetishized. The archaic embodiments of ancient traditions and aspirations are treated differently in every country, with customs that often seem bizarre to a cynical onlooker. When we research their history, we usually come up with some embarrassing details. 'Hatikva' does not really bear scrutiny (…) A national anthem is a rather absurd concept that we have to have, and we can enjoy and even respect it, as long as we don't fetishize it. Those calling for a change to the Jewish bit of 'Hatikva' are doing just that. They are fighting a worthy battle, for the real equality of rights and opportunities of Israeli Arabs and their integration into society, but changing 'Hatikva' would be an empty gesture that would not only achieve nothing for that cause, it would only give raise to holdout groups who would sanctify the old version.
"Singing 'Hatikva' every morning is not the way to strengthen Israeli patriotism", findet Anshel Pfeffer (Haaretz, 15. Juli) 

Boykott-Tradition

"After all, it's well known that every good Jew needs at least two synagogues, one to pray in and one to boycott: He will not set foot in it under threat of death, nor cross its threshold. A congregation that does not have a few ostracized people or institutions cannot be considered a holy and mentally sound congregation; and a boycott on Shabbat is a pleasure.
It's not clear that boycotting and ostracism are a Jewish invention, but there's no question that Jews are among its outstanding developers. Some kind of demon suddenly entered this coalition, which is inciting it to deeds that are not part of Jewish nature - for that alone they deserve to be boycotted."
"Boycotts are a great jewish tradition", meint Yossi Sarid (Haaretz, 15. Juli), und das neue Anti-Boykott-Gesetz demzufolge antidemokratisch, antijüdisch und antizionistisch

Mittwoch, 13. Juli 2011

Lackmustest

"This is the one. Don't let what we like to call the relative calm here, fool you. When the Knesset passed the boycott law Monday night, it changed the history of the state of Israel (...) The Boycott Law is the litmus test for Israeli democracy, the threshold test for Israeli fascism. It's a test of moderates everywhere who care about the future of this place. This is the one. This is where the slope turns nowhere but down."
Bradley Burston kommentiert in seinem Blog das neue Anti-Boykott-Gesetz (Haaretz, 12. Juli)

Volkswille

"Israeli democracy, and all its stable and shaky foundations, is not based on the idea of 'the will of the people.' Its basis is something else, something murky that, as the long years of the occupation progress, increasingly takes on a religious cast. It can even account for the brazen messianic chutzpah of the settlers and their cohorts. 'The will of Israel' does not derive from civilian, minority-majority norms, nor is it based on a constitution that guarantees minority rights and defines when a minority has the option to rise up against the government. Instead, 'the will of Israel' derives from an ultra-nationalist version of the Jewish religion. That religion long ago turned into the unofficial constitution that rules our lives. According to this vision, Israeli sovereignty derives from the sacred text."
Yitzhak Laor in einem Haaretz-Kommentar (13. Juli) zum Kampf für das Ende der Okkupation

Montag, 11. Juli 2011

Machtspielchen

Die Reaktion der Dame im Innenministerium ist unmissverständlich. Wo kämen wir denn dahin? Es gibt schliesslich unzählige Menschen, die im Innenministerium bedient werden wollen, da kann es nicht angehen, das einer es sich erlaubt, ein paar Minuten verspätet zu seinem Termin zu kommen. Jedenfalls darf er nicht damit rechnen, noch bedient zu werden. Da spielt es keine Rolle, dass zum Zeitpunkt des Eintreffens des Verspäteten gar kein anderer Klient in der Warteschlange ist, und dass die Dame stattdessen mit Telefongesprächen ganz offensichtlich privater Natur beschäftigt ist. Auch nicht, dass der Verspätete bei allen früheren Terminen bis zu eine Stunde Verspätung der anderen Seite hinnehmen musste. Dass der nächste Klient nach zweimaligem Aufruf nicht am Schalter erscheint möge man bloss nicht als Gelegenheit missverstehen, dessen Platz einnehmen und trotz Verspätung zum gewünschten Gespräch kommen zu können. Selber schuld, also gefälligst einen neuen Termin holen - und dafür rund eine Stunde Schlange stehen. Und wehe, man wage es dann, das betreffende Terminvergabe-Büro zu betreten, wenn man an der Reihe ist, aber noch nicht aufgefordert wurde. Dann folgt als unmittelbare Bestrafung zehnminütige Missachtung, während denen gelassen der Sitz der Frisur und des Make-Ups kontrolliert wird. Gnädig wird schliesslich der neue Termin vergeben - sechs Wochen später!

Sonntag, 10. Juli 2011

oriental way

Haare schneiden ist Vertrauenssache... Und hier offenbar so sehr, dass gleich die ganze weibliche Hochzeitsgesellschaft zum selben Coiffeur geht! Die Braut mit ihrem sehr orientalisch-opulenten Kleid mitten drin, um sie herum Familie und Freundinnen. Es herrscht ein heilloses Chaos, ein gutes Dutzend Coiffeure schnippelt, färbt, föhnt. Wer fertig ist, geht zu Schritt zwei: Make-Up, nicht weniger aufwendig als die diversen Steckfrisuren. Ganz nebenbei werden die Fingernägel lackiert und verziert, und so langsam aber sicher verwandelt sich die Gesellschaft in ein glitzerndes Etwas.

Freitag, 8. Juli 2011

Mittendrin

Der "Deal" ist einfach: Jeder Gast bringt etwas zu trinken und einen Beitrag für's Buffet, der Gastgeber kümmert sich um den Rest. Der Gastgeber ist in diesem Fall ein irakisch-stämmiger Jude, der zur Familie der Frau eines Freundes gehört (dem wir wiederum die nette Einladung verdanken - jedes Familienmitglied lädt nämlich eine bestimmte Anzahl Leute ein). Die Chalavi-Speisen (milchig) kommen auf das linke Buffet, was basari, also fleischig ist, gehört nach rechts, wo auch "parve" (neutral) seinen Platz hat. Anfangs noch etwas unsicher auf dem "Koscher-Parkett" (darf ich jetzt Speisen von beiden Seiten auf einen Teller tun?), wird die Stimmung ziemlich schnell entspannter. Die Sitzordnung ist typisch orientalisch (alle im Kreis, viele auf dem Fussboden), wie auch die Gesichter vieler der rund 100 Gäste arabische Züge tragen. Nach dem Essen wird aufgespielt, arabische Klassiker wie Umm Kulthum oder Fairuz, kurdische Liebeslieder, yemenitische Weisen. Wie einfach doch alles sein könnte...

Mittwoch, 6. Juli 2011

Horizonterweiterung

"Willst Du mit zu einem Interview in einer Siedlung?" Die Frage meines israelischen Kollegen lässt mich ein wenig unschlüssig. Das Thema klingt spannend, aber will ich wirklich in eine Westbank-Siedlung? "Auf einem Weg könnten wir dort ein paar Freunde von mir besuchen!" Die Neugier siegt (wenn auch nicht über die Vorurteile) - die Gelegenheit, meinem Bild von diesem komplexen Land ein weiteres kleines Steinchen hinzuzufügen, immer auf der Suche nach einen bisschen "Verständnis" for what is going on. Bis lang habe ich noch keinen Fuss in eine Westbank-Siedlung gesetzt. Die eine Frage hingegen kommt unwillkürlich bei jedem Besuch jenseits der Grünen Linie: was einen Menschen dazu bewegen kann, sich freiwillig dort niederzulassen, wo er so offensichtlich unwillkommen ist - und sich und seine Familie so bedroht sieht, dass er selbst auf den "Sonntagsspaziergang" seine Waffe mitnimmt.
Die Menschen, auf die ich treffe, könnten unterschiedlicher nicht sein. Das junge Paar mit zwei wunderbaren Kids kann sich den Wohnraum in der Stadt nicht leisten - und profitiert für deutlich weniger Geld von einem grossen Haus mit Garten und Platz für grosse und kleine Haustiere. Der alte Nachbar ist überzeugter Zionist und Siedler der ersten Stunde, der glaubt, die arabische Mentalität aufs Genaueste zu kennen ("Kompromisse und Gespräche sind in den Augen von Arabern ein Zeichen von Schwäche und Verlust!"), und der keinen Hehl aus seinem militaristischem Faible macht ("Um meine Söhne reissen sich alle Eliteeinheiten!"). Die amerikanische Familie, deren Sohn aus Liebe zur Musik eine Instrumentenbauerlehre absolviert - just for fun, für die Friedensgespräche mit den Palästinensern ein "Dolchstoss in den Rücken der Siedlerbewegung" sind. Lage und Aussicht sind paradiesisch, der Blick geht über arabische Dörfer, Moscheen und Minarette auf der einen, Fels, Wüste und Wadis bis hinunter zum Toten Meer und Jordanien auf der anderen Seite. Wäre da nicht der orthodoxe Familienvater, der Gewehr bei Fuss seinen Kindern beim Spielen zuschaute, man wäre geneigt zu sagen: Heile Welt!

Montag, 4. Juli 2011

Jerusalem Hug

Es ist fast ein kleiner Überfall - ich bin noch keine Minute auf dem Gelände, als ein sehr schmaler, junger Israeli auf mich zukommt. Ob er eine Räucherzeremonie mit mir durchführen solle. Perplex wie ich bin, bleibt mir keine Zeit zum antworten, bevor er mit einem aromatisch duftenden Grasbüschel meine Arme, Beine und meinen Rücken einräuchert. Alle meine schlechte Energie verschwindet, lächelt er mich an. Aha.


 "You're not here for a hug?", so die erstaunte Reaktion einer barfüssigen Dame im leichten Sommerkleid, und ehe ich's mich versehe, drückt sie mich an sich. Um uns herum: rund hundert Gleichgesinnte, barfuss, mit bunter Kleidung, Glitzer im Gesicht und einem entspannt-erlösten Lächeln. Indianer mischen sich mit Hippies, Ökos und esoterisch-buddhistisch Angehauchten, dazwischen ein weiblicher Engel. Jemand spielt Klangschalen, ein Paar übt sich in meditativem Ausdruckstanz, und ein paar Meter weiter formen sich diverse "healing circles". In der kleinen Gartenanlage ein paar Meter von der Hauptstrasse ist alles ein bisschen verlangsamt. Es riecht nach Räucherstäbchen, jemand verteilt Wassermelone. "It's good you know how to say no", lächelt mein Gegenüber, als ich dankend ablehne. 

Es hat ein bisschen was von Woodstock, nur ohne den Regen, und die Mischung von Leuten ist unglaublich bunt und irritierend - Israelis, Palästinenser und eine Reihe von Ausländern, nicht wenige von ihnen extra angereist für den "Jerusalem Hug". Die Menge stimmt sich ein, Hand in Hand stehen alle in einem grossen Kreis, summen, beginnen zu tanzen. In bunter Prozession führt der Zug zum Jaffator – kurze Trommel- und Tanz-Pause unter den erstaunt-belustigten Blicken der Passanten – an der Stadtmauer entlang zum New Gate – eine weitere Tanzeinlage. Auf dem Grünstreifen hinter dem New Gate ein neuerliches Innehalten Hand in Hand, bis sich schliesslich alle in einem grossen Halbkreis vor dem Damaskustor versammeln. "We're all one", Peace, Shalom, Salam.

Samstag, 2. Juli 2011

Begegnungen

"Darf ich mal..." Ehe ich mich versehe, hat mir der junge Ultraorthodoxe ein rotes Kabbala-Bändchen um das rechte Handgelenk gebunden. Sein Kompagnon spricht derweil eine Art hebräisches Segensgebet über mich. Auf meinen erstaunt-unverständigen Blick schiebt er eine kurze Erklärung der unbekannten Worte auf Jiddisch hinterher. "Einen schäinen Tag" wünschen mir die beiden, und so gesegnet darf ich meinen Weg fortsetzen.