Ezra sammelt uns mit seinem Jeep am Rande eines Beduinenlagers unterhalb einer jüdischen Siedlung ein. Ezra ist Jude und Israeli, stammt aus dem Irak und arbeitet für eine israelische Organisation, die den Beduinen gegen drohende Vertreibung oder Hauszerstörungen zu helfen versucht. Ezra spricht arabisch als Muttersprache und bewegt sich in den Beduinendörfern, als wäre er Teil der Stammes-Familien.
Ein Smalltalk am Wegrand, eine herzliche Umarmung, Luftballons für die zahlreichen Kinder. Und überall wo wir hinkommen das unvermeidliche Tee-Ritual.Die Beduinen, erklärt uns unser Guide, sind in jeder Hinsicht diskriminiert. Den jüdischen Siedlern, die sich auf dem ehemaligen Stammesland niedergelassen haben, sind sie ein Dorn im Auge, und auch in der palästinensischen Gesellschaft sind sie Bürger zweiter Klasse. Es mangelt an Land für die wachsende Bevölkerung, und es mangelt an Respekt für den traditionellen Lebensstil der Beduinen. Diese Menschen, sagt Ezra, haben als freie Menschen ohne Grenzen gelebt. Sie haben die Grenzen nicht gemacht, müssen aber nun mit ihnen leben.
Wir kommen mit Ezra, und so sind auch wir fast Teil der Familie. Die Frauen, sonst bei fremden Besuch unsichtbar in ihren Zelten oder Hütten, begrüssen mich mit herzlichen Umarmungen und laden mich zum Tee in den Küchenbereich.
Nur schwer können wir uns loseisen, aber Ezra will weiter, uns ein weiteres Beduinendorf zeigen. In unmittelbarer Nachbarschaft zu einer (gutabgeriegelten) jüdischen Siedlung sind der Kontrast im Lebensstil und die Spannungen im alltäglichen Neben- und Gegeneinander greifbar. Daneben kleine Funken Hoffnung: Ein paar Juden und Araber bauen zusammen an einem Fussballfeld für die Beduinenkinder, während die Beduinenjungs ihren jüdischen Kollegen zeigen, wie man ohne Sattel auf einen Esel springt. Ein einsamer Siedler wohnt der ungewohnten Szenerie schweigend-protestierend bei. Der freundlich zur Begrüssung entgegengestreckten Hand seiner Landsleute entzieht er sich wortlos.
Ein paar Kilometer weiter werden wir Zeuge eines absurden Rituals einer ganz anderen Welt. Einige wenige Palästinenser, vis-à-vis einiger weniger israelischer Grenzsoldaten, wobei sich beide Seiten gut zu kennen scheinen (und die Stimmung zwischen beiden nicht im Mindesten aufgeregt ist). Dazwischen eine handvoll anarchistischer Demonstranten diverser Nationalitäten, die lautstark gegen das Unrecht in der Region protestieren. Man bewegt sich in einem gewissen Sicherheitsabstand voneinander, hier und dort kommt es zu leichtem Körperkontakt zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, es folgen ein paar obligatorische Photo-Posen (Palästinenserfahne, Keffiye, Soldat), und die "Demonstration" ist beendet. Fast erwartete man, dass sich die beiden Parteien per Handschlag voneinander verabschieden, bis zum nächsten Mal.
Ein Abstecher in die jüdische Sieldung Tekoa, und es folgt die letzte Station des Tages: Die Olivenhaine zwischen Beit Jala und Cremisan. Eine handvoll Christen und ein paar Ausländer versammeln sich hier seit drei Monaten zur wöchentlichen Freiluftmesse gegen den geplanten Mauerbau, der das mehrheitlich christliche Dorf von weiten Teilen seines Ackerlandes abtrennen würde, für das Nachbardorf Walajah bereits bittere Realität. Keine zwölf Stunden waren wir so unterwegs, und die zurückgelegten Distanzen in dem ohnehin kleinen Land sind eigentlich lächerlich. Mental aber war dieser Tag eine Welten-Reise.